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Ich lade gern mir Gäste ein – der 1. Kammerabend der Staatskapelle

Die Kombination eines Bach-Klavierkonzerts mit einem überraschenden, nicht selten reizende Kontrastwelten aufspannenden Klavier- oder Kammermusikwerk späterer Zeiten war ein vom Konzertpianisten, aber auch vom pädagogisch denkenden Schallplattenmusiker Glenn Gould gern genutztes Mittel. Auch die Kammermusiker der Staatskapelle haben diesen Bogen gespannt und im ersten Kammerabend der Spielzeit reizvolle musikalische Kontraste ausgespielt. Da Pianisten, die in beiden Sphären glänzen, heute selten geworden sind, lud man kurzerhand zwei Solisten als Gäste: den hauptamtlichen Organisten Matthias Eisenberg und die Pianistin Masumi Sakagami.

Die Barockmusikfreunde der Kapelle stecken mithin seit Jahren in einem seltsamen Stilbruch fest: wohl achtet man die neueren Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis, was etwa Tempi und die Stärke des Ensembles angeht. In puncto Instrumente jedoch ist man über den Epochen- und Stilmischmasch der fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts noch kaum hinausgekommen. Es ist wohl verständlich, wenn die Streicher auf ihren modernen Instrumenten musizieren; aber was die Klangkultur, die Bogenhaltung oder die Lust am Verzieren angeht, muten die Interpretationen von Helmut Branny und Kollegen inzwischen nicht umfänglich zeitgemäß an. Wenigstens eine barocke Traversflöte hätte es für die Klangwelt von Bachs Brandenburgischem Konzert Nr. 5 D-Dur BWV 1050 schon sein dürfen; dann hätten wiederum Stimmungsfragen gestellt werden müssen. So blieb man bei der gewohnten hohen Intonierung – auch das für "historisch" erfahrene Ohren nur ein Kompromiss.

Eine Traversflöte hätte es schon sein dürfen (Foto: Rolf Decker)

Nun hat Christian Thielemann bereits für 2011 Aufführungen des Bachschen "Weihnachtsoratoriums" mit Musikern der Staatskapelle in der Frauenkirche angekündigt. Spätestens bis dahin sollte die Idee eines "aufgeklärt" barocken Klangbildes in Dresden verwirklicht sein. Wohl hängen viele Dresdner den Kreuzchor-Aufführungen mit Peter Schreier seligen Ohres nach; allein, für nationale (und internationale?) Fernsehübertragungen sollte man ästhetisch so aufgestellt sein, dass keine Belächelung des kommenden "Thielemann-Barocks" droht.

Im übrigen war Goulds legendäre Einspielung des Fünften Konzerts auf einem Konzertflügel, der von sicherlich augenrollenden Technikern auf Wunsch des Exzentrikers bis zur Unkenntlichkeit in Richtung Cembalo entstellt worden war, noch um Längen fesselnder als die doch recht lieblos zusammengefrickelte Lesart Matthias Eisenbergs. Der war seinen Kammermusikpartnern vom Tempo her unerbittlich voraus und zeigte auch in der Solokadenz des Kopfsatzes wenig ausgespielte Virtuosität. Die sehr herzlichen Beifallsgesten der Kapellmusiker ihrem Gast gegenüber mochten also eher der langjährigen Verbundenheit mit dem ehemaligen Kruzianer als der am Abend gezeigten Leistung gelten.

Viel spannender anzuhören war die zweite Konzerthälfte: da fanden sich die in Dresden residierende Pianistin und Hochschullehrerin für Instrumentalkorrepetition, Masumi Sakagami, mit Annika Thiel, Holger Grohs und Friedwart Christian Dittmann zu Richard Straussens frühem Klavierquartett c-Moll op. 13 zusammen. Hier waren die Kapellmusiker in ihrem ureigenen Element und zelebrierten diesen frühen Strauss, der sich stilistisch mit seinem Werk deutlich hörbar vor Brahms verbeugt, unverhohlen mit Lust und Liebe.