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Mord, Bänkel und Charleston – »RadioMusiken« in der Staatsoperette

Bereits zum dritten Mal präsentiert die Staatsoperette Entdeckungen aus der Zeit, als die Musik das Radio fand und Komponisten der unterschiedlichsten musikalischen Richtungen dazu aufgerufen waren, für das neue Medium eine verständliche, unterhaltsame Musik zu schaffen. Seit 2005 nimmt das Orchester der Staatsoperette Dresden unter der Leitung seines Chefdirigenten Ernst Theis in fester Kooperation mit MDR Figaro und seit 2008 auch mit Deutschlandradio Kultur sogenannte RadioMusiken auf.

Musikschnittpunkt Weimarer Republik

Bei den RadioMusiken handelt es sich um Kompositionen, die zwischen 1923 und 1933 von nahezu allen Sendegesellschaften bei den bekanntesten zeitgenössischen Komponisten mit dem Ziel in Auftrag gegeben wurden, Musiken zu entwickeln, die den technischen Möglichkeiten des neuen Massenmediums angepasst sein sollten. Auch Komponisten wie Eduard Künneke (dessen Musik einst in den Sinfoniekonzerten der Berliner Philharmoniker gespielt wurde) oder Edmund Nick, die vornehmlich Unterhaltungsmusik schrieben, gehörten zu diesem Kreis. Doch die Grenzen innerhalb dieser zeitgenössischen Musik waren fließend, wie die Namen zeigen, denn auch Kurt Weill, Paul Hindemith, Pavel Haas, Ernst Toch, Franz Schreker u.v.a., die als bedeutende Neuerer ihrer Zeit in die Musikgeschichte eingegangen sind, gehörten zum angesprochenen Komponistenkreis.

Für das Vergessen dieser Musik sind in vielen Fällen die Verbote und Verfolgungen der jüdischen und politisch nicht konformen Autoren im Dritten Reich verantwortlich. Diese Musik entstand, als die deutsche Unterhaltungsmusik ihre letzte Blütezeit erlebte – bevor die Nazis auch diese verfälschten und ihr Ende einleiteten. Die RadioMusiken sind ein Schnittpunkt von Unterhaltungsmusik und verschiedensten Strömungen der zeitgenössischen Musik der Weimarer Republik. Sie zeigen kaum bekannte Facetten einer für das Lautsprecher-Publikum geschaffenen Musik, die ihre Kraft aus den Innovationen der eigenen Zeit nahm. Diese musikalischen Experimente, die für die Live-Übertragung durch nur ein einziges Mikrophon geschrieben wurden, kennen keine musikalischen Grenzen, Tanz und Jazz stehen neben klassischen sinfonischen Formen und avantgardistischen Neuerungen der Zeit.

Das Programm 2010

Die "Charleston-Caprice" wird vermutlich erstmals seit 1930 wieder aufgeführt (Quelle: Staatsoperette)

Zwei dem Archiv der Berliner Akademie der Künste entrissene Wiederentdeckungen dieser Musiken stehen 2010 unter anderem auf dem Programm: Mischa Spolianskys impulsives, jazz-symphonisches „Charleston-Caprice“ für großes Orchester und eines der ersten musiktheatralischen Werke für das Radio überhaupt: Walter Gronostays in seiner Prägnanz faszinierendes und rhythmisch packendes Hörspiel „Mord“. Daneben stehen Wilhelm Grosz’ ohrwurmreiche, schlagerartige und vom Kabarett beeinflusste „Bänkel und Balladen“ auf Texte von Joachim Ringelnatz und Carola Sokol. Mit Ausschnitten aus „Leben in dieser Zeit“ von Edmund Nick und Erich Kästner wiederholen wir abschließend Höhepunkte unseres Konzerts von 2008.

Anlässlich der Veröffentlichung der ersten CD der „Edition RadioMusiken“ mit Edmund Nicks „Leben in dieser Zeit“ auf dem Klassiklabel CPO schrieb das Fachmagazin Fono Forum über das gesamte Projekt: „Ein Dresdner Team von Musikarchäologen macht sich an die Ausgrabung – und wir warten gespannt auf die nächsten Funde.“ – In diesem Konzert sind jene neuen Funde, die im August bereits für MDR Figaro, Deutschlandradio Kultur und CPO aufgenommen wurden, erstmals zu hören.

 

»RadioMusiken«

Musikalische Leitung und Moderation – Ernst Theis
Choreinstudierung – Thomas Runge
Dramaturgie – Uwe Schneider
Solisten, Chor & Orchester der Staatsoperette Dresden

Mischa Spoliansky (1898 – 1985)
CHARLESTON CAPRICE
für großes Orchester (1930)

Wilhelm Grosz (1894 – 1939)
BÄNKEL UND BALLADEN
für mittlere Stimme und Kammerorchester, op.31 (1931)

Elke Kottmair, Sopran
Marcus Günzel, Bariton

Walter Gronostay (1906 – 1937)
MORD. Ein Hörspiel (1929)

Fabrikdirektor – Elmar Andree
Seine Frau – Elke Kottmair
Der Freund – Christian Grygas
Dienstmädchen – Inka Lange
1. Telephonistin – Tanja Höft
2. Telephonistin – Manja Freitag
Polizist – Hans-Jürgen Wiese
Sprecher – Marcus Günzel
Ansager – Wolfgang Schaller

Herrenchor der Staatsoperette Dresden

Auswahl aus
Edmund Nick (1891 – 1974)
LEBEN IN DIESER ZEIT
Lyrische Suite in 3 Sätzen (1929). Text von Erich Kästner

Sprecher – Marcus Günzel
Schmidt – Christian Grygas
Chansonette – Elke Kottmair
1. Männerstimme – Marcus Günzel
2. Männerstimme – Hans-Jürgen Wiese

Konzerte in der Staatsoperette Dresden am
2. Oktober, 19.30 Uhr
3. Oktober, 15.00 Uhr

Karten zum Sonderpreis von 10,- EUR auf allen Plätzen erhält, wer an der Kasse das Stichwort »Musik in Dresden« nennt!