Scroll Top

Am Elften um elf: Das elfte Philharmoniker-Picknick

Die Musikerinnen und Musiker der Dresdner Philharmonie haben sich ihren Sommerurlaub verdient. Sowieso mit ihrer künstlerischen Arbeit in der zurückliegenden Saison. Mit einem I-Tüpfelchen obendrauf nun aber auch noch mit dem „Musikalischen Picknick“ vom gestrigen Sonntag. Das fand zum elften Mal  statt – und zum elften Mal herrschte eitel Sonnenschein rings um Schloss Albrechtsberg. Viel Publikum war gekommen, um in diesem einzigartigen Ambiente ein einmaliges Konzert zu erleben; für die gastronomischen Wünsche sorgte wie stets die im Schloss ansässige Hotel- und Gaststättenschule, deren Nachwuchs kräftig zu tun hatte.

"Musikalisches Picknick" – Die Dresdner Philharmonie lud ein und das Publikum war da. Sonnenschein, Musik und Gaumenfreuden, da sagt niemand nein (Fotos: M. Ernst)

Das sonntägliche Schlemmern gestaltete sich aber vor allem als sinnlicher Genuss für die Ohren. Das Philharmonische Kammerorchester Dresden präsentierte je eine Stunde Konzert von einer kleinen Bühne auf der Ostterrasse, dazwischen gab es klingende Überraschungen im gesamten Gartengelände. Für derlei musikalische Leichtigkeit verfällt manch Veranstalter rasch der Gefahr, Häppchenkost aus einem nur kleinen, allseits bekannten Repertoire zu servieren. Nicht so die Philharmoniker, die neben Bekanntem durchaus Entdeckungen auftischten.

Ich gebe den Takt an! Junge, jüngste und allerjüngste Gäste beim Musikalischen Picknick der Dresdner Philharmonie am Sonntag in den Gärten von Schloss Albrechtsberg. So wird das Klassik-Publikum von morgen und übermorgen gewonnen.

Ein Joseph Martin Kraus, dessen Es-Dur-Symphonie das Picknick luftig eröffnete, mag inzwischen als Mozart-Zeitgenosse – von übrigens ähnlich knapper Lebenserwartung wie der Salzburger Meister – halbwegs bekannt sein. Aber wer kennt den 1815 in der Nähe von Meißen geborenen Komponisten Robert Volkmann? Der war Sohn des Kantors zu Lommatzsch und schrieb neben zwei Sinfonien reichlich Kammermusik und auch einige Serenaden, deren dritte 1870 entstand und nun mit Solocellist Ulf Prelle aufgeführt worden ist. Ein großes Verdienst von Konzertmeister Wolfgang Hentrich, der die musikalische Leitung der Kammerphilharmonie in enorm sympathischer Ausstrahlung wahrnahm, sind dessen informativ knappen Moderationen gewesen. Nachdem er Volkmann vorgestellt hatte und dessen Werk von beschwingter Andächtigkeit verklungen war, erklärte er dem verständnisvollen Auditorium den Verzicht auf zwei der vier Sätze des folgenden Werks: Würde die „Simple Symphony“ von Benjamin Britten komplett aufgeführt, wäre das nächste Soloinstrument gewiss wieder verstimmt.

Harfenistin Nora Koch nahm es dankbar hin und ließ statt ihrer 47 Saiten das Publikum dahinschmelzen; erst zu einer „Siciliana“ von Ottorino Respighi, dann zu einem perkussiv effektvollen Stück von Carlos Salzedo, das die Möglichkeiten der Harfenkunst auslotete. Wie schon zuvor beim singenden Cello fiel wohltuend auf, dass die leiseren Töne auch für konzentrierteres Zuhören sorgten. Allerdings stammten Nebengeräusche fast ausschließlich aus Kinderkehlen – und somit erfüllte das Picknick ganz unaufdringlich noch die frühmusikalische Bildung.

Quasi hautnah gelang es in den erwähnten Überraschungskonzerten, den Kindern Lust auf Klassik zu bereiten. Annegret und Alexander Teichmann geigten im Grünen und lasen den Jüngsten selbstbebilderte Geschichten vor. Hörner tönten im Duo, Cello und Kontrabass gaben sich ein Stelldichein, auf der Bühne bezauberten Harfe und Violine. Ein Lustwandeln inmitten von Natur und Musik.

Nach diesem Ausflug in die Baumschatten gehörte der dritte Teil des „Musikalischen Picknick“ dann wieder ganz der Kunst. Das „Andante festivo“ von Jean Sibelius gab das gemessene Entree zur Suite „Aus Holbergs Zeit“ von Edvard Grieg, übrigens mit Instrumentalisten des Fördervereins-Orchesters verstärkt. Den Schlusspunkt setzte Joseph Haydns Symphonie Nr. 57 D-Dur – Serenadenklang ohne den leisesten Hauch von Banalität. Urlaubsstimmung im Park und ein Vorgeschmack auf die neue Saison, die ab Ende August ziemlich im Zeichen von Brahms stehen wird – und den lieben doch alle!

Eine Textfassung des Artikels ist am 12. Juli in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.