Scroll Top

Rebecca Saunders hinterlässt »Spuren«

Rebecca Saunders

Rebecca Saunders (Foto: Karin Schander)

Es ist Fabio Luisi und der Staatskapelle hoch anzurechnen, dass sie dem typischen Lang-Lang-Publikum des gestrigen Abends und der in den nächsten Tagen folgenden Konzerte als Vorspeise die Uraufführung eines zeitgenössischen Werkes zumuten. Rebecca Saunders‘ Kammermusikstück »traces« (‚Spuren‘) musste dieses Publikum, das später bereits beim Anblick des jungen Chinesen in wahre Beifallsstürme ausbrach, unbekümmert Applaus zwischen den Sätzen spendete und nach einem lebhaft, aber beileibe nicht außergewöhnlich dargebotenen Chopin-Klavierkonzert wie ein Mann aus den Plüschsitzen schnellte, zwangsläufig verstören. Bietet es doch weder Harmonik irgendeiner faßlichen Art (lediglich im dritten Satz das Kreisen um ein monotonales Zentrum) noch melodiöse, gar singbare Passagen, sondern nur – ja, was eigentlich? Strukturelles Denken; klangfarbliche und dynamische Kontraste; und: Stille.

Das Spiel mit der Stille, die Saunders mit Tönen umkreist, an ihren Rändern knabbert, manchmal auch rauh und laut zunichtemacht, ist betörend und abweisend zugleich. Ein Zugang zu dem Werk gelingt vielleicht am ehesten über die Klangfarbe, über das kaum noch instrumententypische Knacken, Kratzen und Pochen der Bässe und des Schlagwerks, von silbrig hohen Klangfäden aus Streicher-Arpeggien und Sekundreibungen eines hohen Knopfakkordeonregisters begleitet. Dann erschließt man sich die Struktur über die Klangdichte, über bestimmte Entwicklungen, die man auszumachen glaubt, und die doch immer wieder im nichts enden.

Die stille Empörung der Zuhörer, der weniger als spärliche Beifall nach der ersten Viertelstunde, waren so vorhersehbar wie das erregte Gemurmel, das wenige Sekunden nach Verklingen des letzten Schlags der "Spuren" einsetzte. Kaum, dass der Dirigent hinter der Szene verschwunden war, flitzte Saunders auf die Bühne, verbeugte sich linkisch, eilte wieder hinter den Vorhang. Ob ein paar einführende Worte Luisis die Hörerwartung des Publikums in eine andere Richtung hätten lenken können? Zur Wiederholung der Aufführung hätte er dazu Gelegenheit. Interessierte Hörer sollten sicherheitshalber die Einführungsveranstaltungen im Kellerrestaurant der Oper wahrnehmen.

 

Vorschau

1. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle
1.9., 2.9., jeweils 20 Uhr
Dirigent: Fabio Luisi
Solistin: Lise de la Salle