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Geld oder Liebe – oder beides? Donizettis »Don Pasquale« an den Landesbühnen Radebeul

“Leicht, luftig, ironisch”: Kostümentwürfe von Tom Böhm


Logisch ist das Leben nicht – und die Oper, eine komische zumal, erst recht nicht. Und wer sagt denn, dass alles auch so ausgehen muss, wie es im Buche,

bzw. in der Partitur steht? 


Das Publikum jedenfalls war sehr einverstanden mit dem Schluss der jüngsten Radebeuler Premiere, an dem der alte Don Pasquale bei seiner späten Brautschau weder verlacht wird noch leer ausgeht. Ganz im Gegenteil. Er präsentiert sich im Finale als flotter Hirsch in einer Mischung aus Zorro und computeranimiertem Cowboy, die Frau im Arm und das Sparbuch am Herzen. Er hat sein Pulver ganz und gar nicht verschossen. Sie hat sich ausgetobt, renoviert und eingekauft, ihm dabei seine Grenzen gezeigt und die ihren erkannt. Die anderen, der fichelante Doktor Malatesta vom Grünen Kreuz (Jussi Järvenpää) und der Schlumperbengel Ernesto (Kay Frenzel) gehen auch nicht gerade leer aus. Nach der Devise „Leben und leben lassen“ lässt ihnen Don Pasquale sein Bargeld. Hat er doch gerade beide Hände voll und vollauf zu tun.


Es geht auch gar nicht anders. Wenn wir täglich lesen und hören, dass die „Alten“ in Sachen Sex, Erotik, Fantasie und Lebenslust ganz vorne sind, dann kann ein Regisseur die Zeit nicht zurück drehen. Das kommt Horst O. Kupich gar nicht in den Sinn. Mit einem so verschmitzten und sympathischen Don Pasquale wie Michael König ahnt man in Gaetano Donizettis beliebter Oper, wie sie in Radebeul über die Bühne geht, von Beginn an, dass da längst nicht alle Messen gelesen sein können. Man wartet nur darauf, dass der Spieß herumgedreht wird und der „Alte“ zuletzt lacht. Der nämlich ist fit und pfiffig, hat vorgesorgt und gut mit den Klischees von Bedürftigkeit und Pflegefall in Liebesdingen gespielt, solange bis ihm klar wurde: bedürftige Verlierer sind die anderen, ihm winkt – noch lange nicht zu spät – das Glück ein Held zu sein, ein Opernheld!


Man wunderte sich nämlich auch schon bald darüber, was denn die zwar nicht mehr ganz taufrische, aber dafür sehr in den Dingen des Lebens und vor allem der Lebenslenkung und Planung erfahrene Norina (Antje Kahn) mit so einem Bengel wie Ernesto, den sie werkgetreu auch kriegen müsste, anfangen will? Dieser blondgefärbte Neffenlümmel, der sich mit Kinderschokolade und Sekt vollstopft, ist kein Mann fürs Leben, nicht mal für den Abschnitt. Diesen Neffen schmeißt Don Pasquale rasch von der Matratze und aus dem Haus. Ab ins Theater. Da kann er schmachten mit Tenorromanzen und Trompetenschmelz. Wenn das Orchester nicht streikt und erst nach Zahlung wieder spielt, wie im Premierenscherz des Orchesters der Landesbühnen Sachsen unter der Leitung von Michele Carulli. Der feuert mit großer Geste Orchester und Ensemble immer wieder an. Sein Eifer aber will nicht durchgehend alle ergreifen, besonders die parlierenden Passagen und die flinken Ensemblesätze bleiben manchmal zäh, was nicht zuletzt an der für diesen Stil wenig geeigneten deutschen Sprache liegen mag. Aber um ein Belcantofest geht es ja auch nicht in Radebeul.

Die Typen der Commedia dell´arte vertragen hier manchen scharfen Ton und können damit rechnen, dass wir wissen, was gemeint ist; auch wenn nicht alles klingt, wie es im Buche steht. Was ja wieder ganz im Sinn der Inszenierung ist. Für diese hat Tom Böhm eine Bühne mit luftigem Brecht-Vorhang entworfen. Rasch zu drehende Wände machen die Renovierungsattacke Norinas möglich, ein universales Riesenmöbel, Ohrensessel, Lotterbett und Tresor, beherrscht die Szene. Leicht, luftig und ironisch auch die Kostüme. So trägt Don Pasquale auf Freiersfüßen einen Frack aus weißem Tüll, die Damen und Herren des Chores geben wandelnde Einkaufskisten ab und begleiten Ernestos Romanze samt Duettino mit Norina in der kühlen Aprilnacht als singende Frösche in Liebeslust. Ein freierer und vor allem selbstverständlicher Umgang mit diesen Angeboten wird sich hoffentlich noch einstellen. In der zweiten Premierenvorstellung fehlt es nämlich noch an Leichtigkeit im Umgang mit den Dingen und den Ideen der Inszenierung. Etwas mehr Genauigkeit, etwa in den kleinen Choreografien für die Damen und Herren des Chores, könnte Wunder bewirken.


Boris Michael Gruhl 


(Material: T. Böhm)

Der Artikel ist am 14. Oktober in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abzudrucken.

Weitere Vorstellungen in Radebeul: 26.10., 28.11., 14.12., 27.12.