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„Das wird sie für lange Zeit prägen…“ – die Choreografin Silvana Schröder über das neue Schülertanzprojekt der Staatsoperette

Die kichernden Damen in der einen Ecke des Klassenzimmers, die lautstarken Machtspielchen der Rüpel auf der anderen Seite, und dazwischen: drei leere Stuhlreihen…
Der Geschlechterkrieg,

den die Mitarbeiter der Staatsoperette bei ihrem ersten Besuch an einer der beteiligten Schulen erlebten, hat es bis in die komplexe Choreographie von »Chess Fever« geschafft. Am Donnerstagabend hat das Stück nun Premiere, vier weitere Vorstellungen folgen. Vor der Generalprobe hat Martin Morgenstern noch einmal mit der Projektleiterin und Choreografin Silvana Schröder gesprochen.

Wie haben sich die Mitspieler und -spielerinnen einander angenähert, nachdem Sie ihnen das erste Mal die Musik vorspielten?

Ja, das brauchte natürlich Zeit. Am Anfang war da eine große Skepsis. Viele sind nicht mit Kunst und Kultur groß geworden. Wenn man als Choreografin an eine Schule geht und den Schülern Musik vorspielt, die sie stilistisch erst mal gar nicht einordnen können, können sie sich auch das Endprodukt schwer ausmalen. Viele wussten nicht: was ist das, Theater? Sie konnten sich nicht vorstellen, wie viel Disziplin, wie viel schnelle Auffassungsgabe, Musikalität da gebraucht wird. Je tiefer sie jedoch in dieses Stück eingedrungen sind, desto ernsthafter nahmen sie es.

Dazu gehört gegenseitiges Vertrauen, auch Vertrauen dieser Choreografin gegenüber…

Ich habe das Gefühl, dieses Vertrauen bekommen zu haben. Diese Rüpel, diese Damen: jetzt unterhalten sie sich, sie spielen miteinander! Sie nehmen sich gegenseitig ernst. Ich nehme alle Mitspieler ernst, vielleicht kommt ja auch deswegen so viel zurück… Bis hierhin ist es ein langer Weg gewesen, aber ich glaube, er wird sie für eine lange Zeit prägen, vielleicht für immer. Und vielleicht wird der eine oder andere auch später gern das Theater besuchen.

Was war das schwierigste Problem, mit dem die Schüler und Schülerinnen zu kämpfen hatten?

Der schwierigste Prozess war, sich zu begegnen, ja zu berühren; das habe ich auch während des ersten Schülertanzprojekts letztes Jahr bemerkt. Das ist natürlich nicht selbstverständlich, gerade auch in diesem Alter: dass man sich anfasst, miteinander spielt, sich gegenseitig berührt. Diese Momente haben einige Zeit gebraucht. Ich habe sie anfangs etwas überrumpelt, aber sie haben mitgespielt und irgendwann bemerkt: sie hatten die Freiheit, alles tun zu dürfen! Jetzt merke ich auch, dass sie es gern tun. Gestern haben mich Schüler angerufen: wir wollen noch mehr machen, wir wollen noch eine Aufgabe! Ich war gerührt und habe bis heute früh noch zwei Nummern neu gestellt.

Wie viel Kunst, wie viel Sozialpädagogik steckt in so einem Projekt?

Ich kann das schwer erklären. Wichtig scheint mir zuerst, die Schüler sehr ernst zu nehmen. Es sind junge Menschen, die ihr Leben leben. Man muss sich Zeit nehmen, ihnen zuzuhören. Kleine Dinge, für uns Künstler selbstverständlich, sind für sie fremd und anders. Wenn man ihnen jedoch immer eigene Chancen lässt, ihre Fragen beantwortet, wird es immer “tiefer” und kommt schließlich zu einem wirklich gemeinsamen Spiel.
Es gab auch Momente, wo ich wußte: dieser Junge kommt aus einem sozial schwachen Elternhaus. Vielleicht ist so ein Stück auch ein Strohhalm, dem ganzen mal zu entfliehen? Ich werde jedenfalls alle unglaublich vermissen.

»Chess Fever« – Tanzprojekt mit Schülerinnen und Schülern des Bertolt-Brecht-Gymnasiums und der 121. Mittelschule Johann Georg Palitzsch.
(Foto: Sascha Eilert)

Premiere:
08.05.2008, 19:30 Uhr

Weitere Termine:
09.05.2008, 19:30 Uhr
22.05.2008, 19:30 Uhr
23.05.2008, 19:30 Uhr
30.05.2008, 19:30 Uhr

Kartenbestellung: Staatsoperette Dresden