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Wie die Semperoper einmal fast in den Kulturpalast umgezogen wäre – Roland Beneke hat seine Erinnerungen aufgeschrieben

Wer wissen will, wie schwer es ist, genügend Geld für den Unterhalt eines niveauvollen Betriebes der Semperoper zu akquirieren, welchen Erfindungsgeist und wie viel Engagement

es braucht, um den Betrieb eines Hauses finanziell zu sichern, von dem Spitzenniveau erwartet wird, obwohl es von seinem Träger, dem Freistadt Sachsen, nicht „spitze“ finanziert wird – im Buch „Zwischen Kunst und Kasse

. Die Semperoper im Aufstieg“ berichtet der Autor und frühere Geschäftsführende Direktor dieser Einrichtung, Roland Beneke, ausführlich davon.

Manchem etwas älteren Leser könnte ein vertrauter Eindruck entstehen: Die Klage darüber, dass die Verantwortlichen in der Regierung nicht immer genügend Kompetenz und Kunstverständnis aufbringen und dass man gerade hohen Politikern und Beamten, die immer auch mit der eigenen Inszenierung beschäftigt sind, gewitzt Zusagen und Finanzen zugunsten des eigenen Hauses abringen oder auch manchmal mit Bauernschläue den eigenen Kopf bei denen aus der Schlinge ziehen muss, wurde auch schon vor zwanzig Jahren so oder so ähnlich geführt. Wie auch immer – Roland Benekes Einfälle waren nicht selten erfolgreich: Sowohl die Idee, mit Reiseveranstaltern ertragreicher als je zuvor zusammenzuarbeiten als auch die Praxis, weiter auf das Anrechtssystem zu setzen, führten zu Ertragsstabilisierungen.

Auch Benekes praktisch-kaufmännische Umsetzung der Rechtsformänderung der Semperoper in einen Staatsbetrieb mit eigener Buchführung spülte Geld in die Kassen des „heiligen Hauses“. Ebenso auch der Verkauf ganzer Aufführungsabende an „kommerzielle Partner“ oder die finanziell einträglichere Neugestaltung des bereits existierenden Sponsoringvertrages mit Radeberger. Wenn im Volksmund gesagt wurde, die Oper könne spielen, was sie wolle, sogar „Scheiß“, sie wäre sowieso fast immer ausverkauft – so hängt das, durchaus positiv gemeint, mit Roland Beneke zusammen. All dies wird in einem Plauderton referiert, der manchmal die Grenze zum Selbstgefälligen überschreitet. Vieles an Benekes Darstellungen wäre unter einem anderen Buchtitel – etwa: „Semperoper zwischen Kunst und Kasse. Wie ein Finanzchef sein Wirken für sein Theater sieht“ – besser eingeordnet gewesen. Die Fotoauswahl – kaum ein Bild ohne den Autor – verstärkt diesen Eindruck.

Wenn das Buch einerseits ausführlich die Leistungen Benekes bei der Erhöhung der Einnahmen für die Oper beleuchtet, so ist ein anderer Themenkreis, den man beim gewählten Buchtitel unweigerlich im Text vorzufinden erwartet, eher unterbelichtet. Wie viel der Steuerzahler für das „Vergnügen Semperoper“ und insbesondere für die irrsinnig hohen Gagen für Star-Dirigenten und -Sänger zahlen muss, wird manchmal dezent angedeutet, aber nicht wirklich konkret benannt und diskutiert. Im Gegenteil: Welche Auseinandersetzungen es bedurfte, irgendeinen Star dennoch zu bekommen, obwohl man die geforderte Gage ursprünglich nicht bezahlen konnte, welche Operngrößen ihre Gage während der Verhandlungen immer höher trieben, welcher Schaden entstand, wenn aus Finanzgründen ein eigentlich gewollter Künstler doch nicht verpflichtet werden konnte – Handfestes ist darüber im Buch nicht enthalten. Auch wenn Beneke dem beliebigen Einkauf großer Namen nicht kritiklos gegenübersteht, ist er dennoch geneigt, solche Gagen als „notwendige Zusatzkosten“ einzuordnen und ausgerechnet hier nach Aufstockung der staatlichen Zuschüsse zu rufen.

Warum eigentlich? Zumindest für die Semperoper gilt, dass viele Besucher nicht vorrangig der eigentlichen Kunst und der Kunstqualität wegen kommen, sondern wegen des Gesamterlebnisses, zu dem hauptsächlich Flair und Architektur des Hauses beitragen. Roland Beneke selbst schreibt: „Als wir versucht haben, bei der Schließung der Semperoper wegen des Hochwassers einzelne Inszenierungen … dem Publikum im Kulturpalast anzubieten, erlebten wir förmlich einen Schlag ins Wasser. Alle Bestellungen über den Reisetourismus wurden storniert, und auch die Dresdner Bevölkerung wollte lieber warten, bis das Opernhaus wieder voll funktionstüchtig ist.“ Soviel zur Rolle der Musik an sich und deren Qualität für das Semperoper-Publikum… Dafür Fingerzeige gegeben zu haben, vielleicht sogar unabsichtlich, ist durchaus ein Verdienst dieses Buches. Schade, dass sich zwischen „Kunst und Kasse“ immer wieder grammatikalische und orthografische Fehler eingeschlichen haben – allein auf Seite 61 kann man zehn zählen, darunter die irreführende Verwechslung des Begriffes „Bonmot“ mit der geografischen Angabe „Beaumont“.

Mathias Bäumel