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„Lebensmittelpunkt Dresden“ – Monica Buckland im Gespräch

Monica Buckland dirigiert ab sofort die Orchester der Technischen Universität Dresden. (Foto: Dietrich Flechtner)

Monica Buckland, 1965 in Exeter geboren, besitzt die englische und schweizerische Staatsbürgerschaft. Auch musikalisch wandert sie gern zwischen den Welten,

dirigiert Chöre und Orchester, Laien und Profis, Neue und Alte Musik. Im Februar tritt sie nun ihr Amt als neue Dirigentin der beiden Orchester der Technischen Universität Dresden an. Martin Morgenstern hat sie bei ihrer allerersten Tasse Blümchenkaffee erzählt, warum sie unter vielen verlockenden Angeboten gerade dieses angenommen hat, und was ihre weiteren Pläne in der Landeshauptstadt sind.

Frau Buckland – sie waren die Dirigentin, die letztes Jahr beim Auswahlwochenende als erste von fünfzehn Dirigenten das Universitätsorchester dirigieren durfte, oder besser: mußte. Denn dem ersten räumt man in so einem Ausscheid oft nicht allzuviele Chancen ein…

Ich hatte an diesem Wochenende einen Chor in Großbritannien zu leiten und bat die Dresdner um einen Alternativtermin. Als man vorschlug, ich könne ja am Freitag als erste dirigieren, dachte ich mir: meine Chancen sind dahin; bis die mit allen durch sind, haben sie mich sicher vergessen. Und dann hatte ich plötzlich ein sehr schönes Gefühl mit dem Orchester. Es herrschte eine positive Atmosphäre, warm und freundlich. Die Atmosphäre, das Drumherum, das finde ich besonders bei Laien sehr wichtig. Und dann war ich einfach sehr angenehm überrascht, dass mich das Orchester offenbar doch nicht vergessen hatte!

Sie haben in Cambridge Musikwissenschaft studiert, Klavier und Fagott gespielt, und viel dirigiert. Für Ihre Dissertation über Beethovens Klaviermusik haben Sie sich in die Archive Ost- und West-Berlins gegraben – und dann hat doch die Praxis die Oberhand gewonnen?

Ja, eigentlich wollte ich schon damals am liebsten dirigieren. Deswegen bin ich 1989 nach Basel gegangen und habe dort für ein Kapellmeisterdiplom studiert. Die Musikakademie hatte private Sponsoren gefunden, damit die Studenten viel mit professionellen Orchestern arbeiten konnten. Die meisten Dirigierausbildungen sind wie Trockenschwimmkurse; aber wir durften mit dem Basler Sinfonieorchester und mit dem Internationalen Opernstudio Zürich arbeiten. Der dortige Generalmusikdirektor Ralf Weikert war mein Lehrer; aber auch bei anderen Dirigenten wie Manfred Honeck oder Komponisten wie Helmut Lachenmann haben wir damals gelernt. Mit Witold Lutoslawski habe ich sein Cellokonzert gemacht. Und Sie müssen sich vorstellen, wir waren nur vier Studenten in zwei aufeinanderfolgenden Semestern! Als der Direktor, der Komponist Rudolf Kelterborn, in Pension ging, ist dieses ganze wunderbare System weggestorben – wahrscheinlich war es einfach zu teuer.

Normalerweise bewirbt man sich nach so einem Studium als Kapellmeister an einem Opernhaus. Sie haben aber einen viel aufregenderen Weg eingeschlagen…

Ja, ich besuchte damals einen Dirgierkurs in Zlin (Tschechien), der von einer kanadischen Agentur jedes Jahr organisiert wird. Das Philharmonische Orchester der Stadt bot mir an, im kommenden Jahr als Assistent wiederzukommen. Es war eine Zeit, als die jungen Musiker alle in den Westen gegangen sind. Das war natürlich eine Chance für junge Dirigenten, die nicht so scharf auf Gagen waren – ihr Engagement wurde von den Orchestern dankbar angenommen. Etwa fünf Jahre lang habe ich so als Gastdirigentin viele Konzerte in Tschechien, Polen und Rußland geleitet. Irgendwann haben die Veranstalter gemerkt: sie könnten meine Stelle ja auch verkaufen! Warum, sagten sie sich, sollten sie überhaupt Gage für einen Gastdirigenten aufwenden, wenn Dirigenten, die nicht viel schlechter waren, für die Anstellung bezahlen würden?

Es wurde also Zeit, wieder die Koffer zu packen, zurück in die Schweiz…

Ich war nie wirklich karrierezielstrebig, ansonsten hätte ich wahrscheinlich etwas früher versucht, im Westen Fuß zu fassen. Allmählich ergaben sich aber die Konzerte, ich konnte unter anderem in der Schweiz mit dem Orchester der Tonhalle Zürich arbeiten. Dann wurde ich gefragt, ob ich mich nicht bei der Tibor-Varga-Akademie in Sion bewerben wolle. Ich war damals vielleicht etwas müde von der Freelance-Existenz. So habe ich die Position angenommen. Der große Geigenvirtuose Tibor Varga starb, kurz bevor ich an die Akademie kam, und nun sollte ich die Schule fit für die Hochschul-Akkreditierung machen! Im ersten Jahr habe ich sehr viel erreicht, viel neues eingeführt – und danach wurde es sehr schwer. Die Lehrer sahen, dass die kleine Schule nicht ins Schweizer Hochschulsystem passt, aber der Stiftungsrat hat es nicht sehen wollen. Wir hätten stattdessen ein Postgraduate-Zentrum aufbauen können, denn es gab dort gute Musiker, und ich habe einige gute dazugewonnen. Die Bratscherin Nobuko Imai zum Beispiel; und die hat dann Ulrich Eichenauer weiter empfohlen, der vielleicht einigen als ehemaliger Solobratscher der Dresdner Philharmonie ein Begriff ist. Mit dem Orchester habe ich einige schöne Konzerte und Tourneen gemacht; aber am Schluß bin ich nur noch administrativ beschäftigt gewesen, hatte keine Zeit mehr für das Orchester. Da haben wir uns, wie man so sagt, in gegenseitigem Einvernehmen getrennt. Ulrich Eichenauer spielt übrigens in unserem ersten großen Sommerkonzert – er wollte unbedingt nach Dresden zurück!

Na, das sind ja gute Neuigkeiten! Auf welches Repertoire darf sich das Dresdner Publikum denn in nächster Zeit freuen? Wird es auch Erkundungstouren abseits des gewöhnlichen Amateur-Repertoires geben?

Zuerst muß ich natürlich das Orchester richtig kennenlernen. Ich muß einschätzen können, wo die Stärken und die Schwächen der Musiker liegen. Und auch für das Publikum wollte ich nun nicht gleich etwas völlig unbekanntes wählen. Ziemlich abwechslungsreich wird es aber schon: Das große Sinfonieorchester erarbeitet Mendelssohns “Ruy Blas”-Ouvertüre, begleitet die Geigerin Eva Dollfuß in Beethovens Violinkonzert und spielt Dvoraks Achte Sinfonie. Die TU-Kammerphilharmonie wird mit einer Ouvertüre von Fanny Hensel, Beethovens “Siebter” und eben Bohuslav Martinus “Rhapsody-Concerto” aus dem Jahr 1952 aufwarten – mit Ulrich Eichenauer als Solist. Ich habe einfach die Orchestermitglieder gefragt, was sie gern spielen würden. Es gab viele Vorschläge, besonderes aus der Kammerphilharmonie. Natürlich möchte ich später auch andere Komponisten von hier und auch aus der Schweiz bringen.

Das klingt ja schon äußerst erfrischend. Haben Sie auch schon weitergehende Pläne, was Ihr Arbeitsspektrum in Dresden angeht?

Ein paar. Sehen Sie – ich arbeite gern mit Laien, aber wenn ich nur mit Laien arbeiten würde, wäre ich frustriert, und umgekehrt. Ich muß irgendwie etwas von allem haben, Chor und Orchester, Laien und Profis, Neue und Alte Musik! Agenten haben mir gesagt: wenn ich vorwärts kommen wolle, müsse ich mich spezialisieren. Das wollte ich aber nie. So habe ich mich in letzter Zeit bei Profiorchestern, bei Opernhäusern und auch bei Universitäten beworben. Dresden war dann eigentlich die Interessanteste meiner Möglichkeiten. Ich war jetzt achtzehn Jahre in der Schweiz, und nun habe ich einfach wieder Lust auf etwas neues. In Dresden sehe ich da viele Möglichkeiten; es wäre zum Beispiel eine tolle Sache, ein eigenes Ensemble für Neue Musik aufzubauen…

…zumal Dresden ja gerade in das bundesweite “Netzwerk Neue Musik” aufgenommen wurde…

…das kommt wie gerufen, nicht? Ich werde jedenfalls versuchen, das Musikleben auch außerhalb der Universität kennenzulernen, und vielleicht ergeben sich auch Möglichkeiten, es mitzugestalten. Dresden soll zu meinem Lebensmittelpunkt werden – ich freue mich auf diese Stadt. Da ich in Zürich einen guten Chor habe, werde ich daneben oft in der Schweiz sein, und natürlich hoffe ich, dass ich auch weiterhin Gastkonzerte geben kann.

(Eine Kurzfassung des Interviews ist am 21.2.2008 in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen.)


Die nächsten Konzerttermine der TU-Orchester:

TU-Kammerphilharmonie:
10.5. Strasbourg
11.5. Rosheim
Finlandia (Sibelius), Violinkonzert D-Dur (J. Brahms) – Solist: Kai Vogler

27.6. Villa Teresa Coswig
28.6. Dreikönigskirche Dresden
Ouvertüre C-Dur (Fanny Hensel), Rhapsody Concerto (B. Martinu), Sinfonie Nr. 7 A-Dur
(Beethoven)

TU-Sinfonieorchester:
8.6. Lukaskirche Dresden
Ruy Blas-Ouvertüre (Mendelssohn), Violinkonzert (Beethoven) – Solistin: Eva Dollfuß -, Sinfonie Nr. 8 (Dvorák)