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Deutschland vor der Qual

Vielleicht ist Ihnen das auch schon aufgefallen: Deutschland debattiert über die Dieselaffäre, über die Autobahnmaut, über Obergrenzen und türkische Beitrittsgespräche. Ach ja, ein bisschen Europa ist auch immer noch Thema. Schließlich sollen die Europäer die nun plötzlich doch kommende Maut (danke, C.S.U. & C.D.U.!) künftig bezahlen. Keine Frage, dass auch wir zu diesen Europäern zählen werden. Richtig, die Bundesrepublik Deutschland ist im Wahlkampf-Modus (und selten scheint der abgelatschte Treppenwitz vom ‚Wahlkrampf‘ angebrachter gewesen zu sein als heute). Fehlt irgendetwas in diesen Debatten?

Schalten wir mal nach Dresden. Da wird Bildung thematisiert. Das ist dringend nötig! Die eine Partei will Bildung und Erziehung, die andere Erziehung und Bildung. Auch beim Thema Eltern sind sich die Kontrahenten erstaunlich einig. Manche wettern gegen Kohle, für Klima, andere sind gar gegen Krieg… Aber fehlt nicht auch hier ein wichtiges Thema? Manch ein Bewerber ist gar so einfallslos, nur für sein Land zu sein („Für unser Land“), andere Kandidaten sorgen sich um Miete, Steuern und Zinsen oder schlicht um Schulranzen und Datensicherheit. Was fehlt denn da?

Richtig, Sie lesen »Musik in Dresden«. Hier geht es gar nicht um die Frage, worin der größere Vandalismus besteht: in der beleidigend dämlichen Penetranz der Wahlplakate oder in deren lustiger Übermalung bzw. Entsorgung. Hier geht es um Musik, Kunst und Kultur. Doch das ist kein Thema für einen Wahlkampf! Nicht in Dresden. Nicht in Deutschland. Auch nicht beim Koalitionsgespräch, das diesmal erstaunlicherweise schon vor dem Wahltermin unter dem Decknamen »TV-Duell« stattgefunden hat. Weder die ewige Kanzlerin, noch der Möchtegern-Kanzler und schon gar nicht die Runde der Politmarketing-Journalisten sind auf die Idee gekommen, dass der deutschen Kulturnation Kulturthemen gut zu Gesicht stünden.

Glücklicherweise haben sich die Kollegen vom Deutschlandfunk einmal kundig gemacht und präsentieren nun aller paar Tage ihre Ergebnisse in der Reihe »Die Kulturprogramme der Parteien«. Da erfährt man zum Beispiel, dass die SPD laut ihren im Juli formulierten kulturellen Leitlinien – wie übrigens auch die Grünen – die Künstlersozialkasse stärken, die FDP das Kulturschutzgesetz wieder abschaffen und die Ausgaben für die Öffentlich-Rechtlichen massiv kürzen und die AfD endlich eine deutsche Leitkultur etablieren möchten. Für die Minderheiten-Hochkultur, für die staatliche Förderung klassischer Musik oder des Balletts (!) mag sich öffentlich nun eigentlich niemand so richtig starkmachen. Das ist im Land der hellen Lichter und Diesel-Lenker momentan einfach unsexy.

Wen also sollten kulturliebende Dresdner wählen? Welche Themen haben sich die Parten statt der Kultur auf ihre Fahnen und Plakate geschrieben? Bis zum 24. September haben Sie noch Zeit, das Orakel zu befragen.