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Mahlers Lied vom Leben

franzwelsermoest
Foto: Matthias Creutziger

Der österreichische Dirigent  Franz Weller-Möst stellte im letzten Kapellkonzert des Jahres Gustav Mahlers 9. Sinfonie vor. 80 Minuten dauert das Werk, das allein den Konzertabend füllt. Es lotet sinfonisch noch einmal die Mahlersche Klang- und Gedankenwelt aus. Die Sinfonie ist neben dem »Lied von der Erde« von 1908 als »Lied vom Leben« 1907 bis 1909 entstanden, und wurde 1912 nach Mahlers Tod von Bruno Walter uraufgeführt. Sie ist ein Dennoch. Schwere Schicksalsschläge trafen ihn: Tod der fünfjährigen Tochter, bedrückendes Krankheitsbild und antisemitische Angriffe, die Mahler zwangen, die Intendanz der Wiener Hofoper aufzugeben. Nach der monumentalen Achten, der »Sinfonie der Tausend«, ist sie ein Neuanfang, wie schon einmal nach der Vierten.

Ungewöhnlich ist schon der 1. Satz, ein Andante, ein ganz anderer Mahler. Nirgendwo hat der Wiener Meister eine so moderne Klangsprache erstrebt (wie Arnold Schönberg und Alban Berg meinten). Als Klagegesang ansetzend, entfaltet er dynamisch leidenschaftliche Entwicklungen, um am Ende trauermarschartig zu versiegen. Die Expressivität dieses Satzes wird zurückgenommen in den folgenden drei Sätzen, die wieder an den alten, bekannten Mahler anschließen. Ländlerartige Motive, grotesk verzerrt und derb akzentuiert, tragen den 2. Satz. Ein marschartiger 3. Satz (Rondo-Burleske) rast wie eine apokalyptische Tokkata durch den Raum, die nur wenig Platz für lyrische Tröstungen lässt. Was hier bisher vom Dirigenten expressiv erfasst wurde, mündet in ein Adagio, wie es an Tiefe und Ausdruckskraft an dem Finale der 3.Sinfonie ansetzt: „Was mir die Liebe erzählt“ heißt es dort, und auch hier faszinieren die Ausdrucksdichte, die Ruhe, die alle Verzweiflung der vorangegangenen Sätze aufhebt und von Mahlers tiefer Menschlichkeit kündet. Selten gibt es eine solch beglückende Lösung sinfonischer Kämpfe. Rechtens ließ der Dirigent die Spannung am Ende nicht los, zögert, dem Beifall Raum zu geben. So verstärkte sich das Gefühl, etwas Großes erlebt zu haben. Der Jubel des Applauses war dennoch nicht aufzuhalten.