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Block-Flöten

Foto: Oliver Killig

Nicht nur Wilhelm Busch hatte seine eigene Meinung, was musikalische Freiheit im Zusammenhang mit menschlichem Wahrnehmen betraf: „Musik wird oft nicht schön empfunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden.“

Ob die Mitarbeiter des Dresdner Ordnungsamtes in ihrem Lesevermögen bis zum bärtigen Klassiker vorgestoßen sind, wissen wir nicht. Fakt ist jedoch, sie greifen inzwischen hart durch, wenn Straßenmusik die heilige Ruhe der Dresdner Krämermeilen stört. Ein Musiker namens Joscha musste daselbst zu Boden geworfen und in Ketten gelegt werden, weil er die allerheiligste Obrigkeit der vormundschaftlichen Staatsvertreter nicht anerkennen wollte und ihr mit gitarristisch begleiteter Sangeskunst gar zuwiderhandeln wollte. In Handschellen wurde er abgeführt, mit rechtsstaatlicher Gewalt ins städtische Dienstfahrzeug gesteckt und zur Polizeiwache verbracht.

Vielleicht hatte der selbsternannte Walther von der Vogelweide nur nicht das rechte Parteibuch bei sich? In den letzten Stunden der schwarz-gelben Sachsen-Koalition schien das ja wieder zunehmend wichtig zu sein. Wäre er beispielsweise mit vermutlich tiefbraunem N.P.D.-Lappen ausgestattet gewesen, hätte er umgehend Asyl im sächsischen Landtag gefunden. Dessen Präsident brillierte mit offenkundiger Haltungslosigkeit zu diesem Vorfall vom (ausgerechnet!) 17. Juni. Was ist schon dabei, wenn ein paar Neonazis mit polizeilicher Duldung Zuflucht just im Zimmer 88 finden? Dazu muss ein Landtagspräsident keine inhaltliche Stellung beziehen können.

„Wir können es schaffen“, orakelte noch vor wenigen Tagen der regionale Oberhirte einer überflüssig gewordenen Lobbyvertretung mit Blick auf die Landtagswahl 2014. Zunächst fragte man sich nur, wozu? Inzwischen drängt sich die Frage auf, was da geschaffen werden soll? Ein Zementieren von Oben und Unten, vormundschaftliche Obrigkeit und duldsame Mitläufer? Gestern abend kämpfte er mit den Tränen: "Versteht ihr das? Ich nicht!" Muss er auch nicht.

Vor 25 Jahren war es schon mal die Straßenmusik, die – damals in Leipzig – den Staatsapparat herausforderte. Letztlich erfolgreich.
Das musische Schatzkästlein von Wilhelm Busch hält noch andere Kostbarkeiten bereit, derer man sich angesichts staatlicher Überheblichkeit erinnern könnte: „Tugend will ermuntert sein, Bosheit kann man schon allein.“ Von der Vogelweide, übernehmen Sie?

Klangvoll, mindestens die nächsten fünf Jahre –

Michael Ernst