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Sags mit Blumen!

Audrey Zwo im fortgeschrittenen Stadium, im Zaum gehalten von Seymour (Jannik Harneit). Fotos: K.-U. Schulte-Bunert

Mensch, ist die Story bekloppt, denkt wohl mancher, den „Der kleine Horrorladen“ das erste Mal ereilt. Und dann wird er in die Geschichte des kleinen Blumenladens in der „Skid row“, also der schäbigen Vorort-Gegend, durch die das Bauholz für die Großstadt gezogen wurde (Dresdner, sprich: Holzhofgasse!), hineingesaugt und ergibt sich grinsend diesem Unsinn einer blutrünstigen Pflanze aus dem All, die mit ihren Ablegern die Weltherrschaft erringen will…

Gleich dieser Pflanze, im Stück „Audrey Zwo“ genannt, ist im Freitag eine fantastische, jeden Zweifel an der Zukunft des Hauses gierig wegschnäbelnde Produktion des »Kleinen Horrorladens« von Howard Ashman und Alan Menken in der äußerst witzigen Übertragung ins Deutsche durch Michael Kunze in Leuben gelandet. Inszeniert und choreografiert hat der in Mailand geborene Giorgio Madia. Ein Glücksgriff! Aus der schrägen Horrorklamotte hat er – eine schräge Horrorklamotte ersten Ranges gezaubert. Die Ausstattung von Cordelia Matthes, die erstmals 2005 in Wien mit Madia zusammenarbeitete, kommt auf den Punkt: sie reduziert den verpennten Vorort ganz auf den Blumenladen des chronisch erfolglosen Mr. Mushnik (Gerd Wiemer), der als grauer Klotz auf der Leubener Drehbühne ein ums andere Mal rotiert und mit jeder Drehung weniger blutleer erscheint. Wo zu Beginn noch weithin leere Regale dräuen, verhilft die Alien-Venusfalle Audrey Zwo dem Besitzer alsbald zum Erfolg, bevölkern immer mehr und immer grellere Blumenarrangements die Auslage. Witzige Einfälle der Ausstatterin und eine gelungene Umsetzung des wachsenden Phytovampirs mithilfe des Puppenspielers Dirk Neumann und des stimmgebenden Schauspielers Frank Felicetti reichen völlig aus, damit das klug reduzierte Bühnenbild des Ladens, dessen Rückseite mit wenigen Handgriffen zur sadistischen Zahnarztpraxis ausgeklappt werden kann, nie langweilig wird.

Zum geschilderten Augenschmaus nur akustische Leckerbissen. Die Basis legt die nur fünfköpfige (!) „Little Band of Horrors“ (Eve-Riina Rannik, Piano; Peter Lambert, Keyboard; Andreas Faller, Gitarren; Michael Hauser, Bass und Clemens Amme, Drums) unter der musikalischen Leitung von P.C. Feigel. Crisp, auf den Punkt, ohne einen einzigen musikalischen Wackler kommt dieser Sound aus dem Graben, und bildet die samtig-grüne Steckmasse, in die der Komponist mit viel Witz und Können die einzelnen Protagonisten musikalisch arrangiert. Unter denen gabs zur Premiere nicht einen Einzigen, der enttäuscht hätte: die drei Orgelpfeifen, die die Erzählung tragen (Crystal: Elisabeth Markstein, Chiffon: Julia Steingaß, Ronnette: Tamara Wörner, die ihre Gesangskarriere vor zwanzig Jahren in eben jenem Stück begann), singen stahlharte Akkorde, blütenreine Harmonien, mit Lust und Liebe. Christian Grygas haspelt sich durch wechselnde Rollen und genießt sichtlich die sadistischen Eskapaden des Dr. med. dent. Orin Scrivello, der sich am Ende totlacht (ein bisschen bleibt einem das Lachen im Halse stecken, so gut ist das gespielt). Olivia Delauré spielt trippelnd und puppengleich, mit einem Touch Tim Burton, die Audrey; und der Leuben-Neuzugang Jannik Harneit spielt, singt, schauspielert den Haupthelden Seymour, dass es eine Lust ist. Wie er weniger linkische Hauptrollen am Haus angeht, werde ich hoffentlich bald berichten können; dass er ein mächtiger Gewinn fürs Ensemble ist, steht indes außer Zweifel.

Venus-Fliegenfalle plus Avocado, gewürzt mit außerirdischen Genen: diese Blume wird binnen kurzem Menschen verschlingen. Deshalb zum Finale die gesungene Warnung: „Don’t feed the plants!“

Davon, dass es zur Premierenfeier sponsorenbedingt nur feiste Würste zu verspeisen gab und der daraufhin hilfesuchend aufgesuchte Grieche im gespenstisch leergezogenen Leubener Einkaufszentrum auf der anderen Straßenseite nicht ein einziges vegetarisches Hauptgericht anbietet, sollte sich niemand die Petersilie verhageln lassen. Klar, ein vegetarisches Menü mit tentaklig weichgekochtem grünem Spargel, zu Venusfliegenfallen geschnitzten Gurken und Auberginen mit pittoresk arrangierten Ketchupspuren wäre passender gewesen. Aber wir wollen mal nicht zuviel auf einmal verlangen. »Der kleine Horrorladen« ist in meinen Augen die erste Produktion des Hauses in jüngerer Zeit, die Weltklasse hat. Sie hätte verdient, am neuen Standort noch lange zu laufen und gerade unter jüngeren Dresdnern zum kleinen Kultstück zu avancieren.

 

Nächste Vorstellungen: 24., 25., 26. Januar; 11., 12. März; 10., 11. April 2014

Für die Vorstellung am 24. Januar gibt es zwei Eintrittskarten zum Preis von einer: diese Doppeltickets gibt es noch bis zum 20. Januar. Schöner Name der Aktion: „Nur einer muss bluten!“