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Wenn das Cello singt… »Das Lied in Dresden« mit romantischen Kostbarkeiten

Nein, die ganz großen Säle füllt man nicht mit dieser großen Kunst der leisen Töne, der zarten Melodien, der Herzensdramen im Minutentakt, den Liedern als Seelenspiegel des Intimen in der Romantik. Dresden kann sich glücklich schätzen, mit der Reihe „Das Lied in Dresden“ immer wieder ein Podium zu haben, das dieser Kunst einen Raum gibt. Erfreulich, dass recht viele Besucher den Weg in den Clara-Schumann-Saal des Kulturrathauses fanden, schade jedoch um jeden Platz der leer blieb. Die Veranstalter hatten zu einem recht außergewöhnlichen Programm geladen und wer dabei war darf sich glücklich schätzen romantisches Musizieren in selten ausgewählten Formen erlebt zu haben.

Zunächst die Referenz an Robert Schumann im bald zu Ende gehenden Jahr seines 200. Geburtstages. Der Bariton Henryk Böhm singt den Liedkreis op. 24, neun Lieder auf Gedichte von Heinrich Heine, ironisch gebrochene Wehklagen eines Einsamen im Herbst. Böhm geht die Minidramen mit klarer Diktion an, er vermeidet übliche Effekte, keine gehauchten Töne im Piano, der Gesang bleibt klar. Das Träumen und vor allem die Träne müssen sich beim Hörer ins Herz schleichen, das erfordert vom Interpreten eine gewisse Distanz bei klarem Kopf und klarer Stimme, beides ist dem Sänger eigen.

Von einer Begleiterin, und das gilt für den ganzen Abend, bei der Pianistin Pauliina Tukiainen zu sprechen wäre eine Untertreibung. Keine Frage, sie ist höchst versiert in dieser Kunst des partnerschaftlichen Musizierens, aber da ist immer etwas mehr zu vernehmen, nämlich die Lust am Dialog, eine höchst maßvolle Art in knappen Nachklängen besondere Akzente zu setzten, vor allem aber den kleinen verbalen Dramen in ihrer Direktheit durch das indirekte Bild des Klanges weitere Dimensionen zu geben.

Dem Klang der menschlichen Stimme folgt der Gesang eines Instrumentes. Frank-Michael Guthmann spielt Schumanns Fantasiestücke für Klavier und Klarinette op. 73 in der Fassung für Violoncello. Guthmann präsentiert in gekonnter Korrespondenz zum Gesang Lieder ohne Worte, auch hier besticht das Maß der Emotion wobei die Klarheit der Tongebung Vorrang hat.

Selten zu hören, drei Lieder aus „Tragödie op. 64, Nr. 3“ von Robert Schumann, Texte wiederum von Heine, gewissermaßen als Duettszene dargeboten, dem ersten drängenden Lied des Baritons folgt die Klage der Mezzosopranistin und beide besingen romantisches Grundgefühl, „Sie weinen und wissen selbst nicht warum“. Den Mezzo-Part hat Stephanie Atanasov übernommen, auch sie bietet zunächst weniger Außergewöhnliches, Schumanns Lieder nach Gedichten der Maria Stuart, op. 135. Ein großer Moment des an Höhepunkten nicht gerade armen Abends ist ihre in der Zurückhaltung so intensive Interpretation des rezitativisch gesetzten Liedes in Form einer Litanei, „Nach der Geburt ihres Sohnes“.

In zwei Gesängen für Altstimme, Violoncello und Klavier, von Johannes Brahms vereint sich an diesem Abend in klingendem Glück was zusammen gehört, und als könne man die sanfte Ironie der Brechtschen Weihnachtsgedichte vorausahnen nimmt der zart wiegende Ton des Cellos im „Geistlichen Wiegenlied“ aller grimmigen Kälte die Macht. Danach gibt Henryk Böhm in dreifacher Form in einer Auswahl aus „Lieder und Gesänge op. 32“ von Brahms der Sehnsucht nach Nacht und Liebestod glaubwürdigen Ausdruck, und man erfreut sich noch einmal an der Klarheit seiner Diktion und dem jugendlich kernigen Klang. Und dann ein Finale voller Gesang, das Cello singt, Adagio und Allegro für Horn und Klavier, in der Fassung für Violoncello, von Robert Schumann. Noch einmal beglückt Frank-Michael Guthmann mit der Noblesse seines Spiels, wunderbare, melodiösen Bögen im ersten, raschere, virtuosere Passagen im zweiten Teil, ein beglückendes Ganzes im Zusammenspiel mit der Pianistin Pauliina Tukiainen.

Eine Textfassung des Artikels ist am 27. September in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.

Das Lied in Dresden, das nächste Konzert: 17. 10., 19.30 Uhr, Konzertsaal der Hochschule für Musik, Didier Henry, Bariton und Anne LeBozec, Klavier