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In Erwartung eines herrlichen Freiluft-Geburtstagsständchens

Foto: Matthias Creutziger

Herbert Blomstedt, Ehrendirigent der Staatskapelle, von 1975 bis 1985 Chefdirigent des Dresdner Orchesters und in wenigen Tagen 90 Jahre alt, kehrte heute mit einem Wunschkonzert zu seinen Ehren in die Elbestadt zurück. Sir András Schiff war der Solist in Beethovens C-Dur-Klavierkonzert von 1800. Der 25jährige Komponist, gerade von Bonn nach Wien umgesiedelt, hatte das Konzert in mehreren Fassungen zwischen 1795 und 1800 ausgearbeitet. Es ist ein Werk, das er sich auf den Leib geschrieben hat. Noch ist klassische Tradition eines Mozart und Haydn wirksam, aber bereits zeigt sich eine ganz eigene, echt Beethovensche Sprache. In den ersten Aufführungen war der Komponist noch pianistischer Improvisator; davon ist im Ablauf durchaus noch etwas zu spüren. Der Solist im Blomstedtschen Geburtstagskonzert, der ungarische Weltpianist Sir András Schiff, schien genau in dieser Richtung gedacht zu haben. Der fantasievolle Grundcharakter inspirierte ihn zu einer überzeugend freien Gestaltung, einer spielerischen, musizierfreudigen, die auch vom Orchester gern aufgenommen wurde. So entstand eine Geschlossenheit der Interpretation, die nicht nur in der originell fantasievollen Kadenz des 1. Satzes sich ausprägte und in der melodischen Sanglichkeit des romanzenhaften Mittelsatzes zu leichten Verzierungen animierte, sondern vor allem im spritzigen Finale, das nicht auf Volksliedton und Gassenhauermotivik verzichtete, sich frei und locker entfaltete. Begeisterter Beifall gab es gerade für dieserart unheroische, musikantische Gestaltung. Als pianistische Zugabe erklang die allbekannte Sonata Facile in C-Dur von Mozart.

Wenn Herbert Blomstedt hier noch den lockeren Intentionen des Pianisten begleitend nachging, so hatte er mit Bruckners Vierter, der »Romantischen«, nun jene Möglichkeiten, die ihn zu eigener, vollendeter Gestaltung inspirierten. Der Dirigent, der von jungen Jahren an – wie er bekannte – ein Brucknerfan war, konnte sich zu spannungsvoller Höchstleitung entfalten. Das Orchester bestens auf ihn eingestellt, mit Sympathie mitgestaltend, nahm jede Nuance des Dirigats auf, entwickelte jede Bewegung zu spannungsvollem Klangaufbau. So entstand im 1. Satz eine einmalige Gespanntheit. Das „Andante“ wurde melodisch ausgesponnen; und die lustige Tanzmelodie des Trios im bewegten Scherzo von solcher Intensität, dass es einem den Atem verschlug. Und die große sinfonische Gestik, die Klanggewalt entlud sich wie im ersten so auch im packenden Finalsatz. Alles war von solch starker Ausdruckskraft erfüllt, dass man es so schnell nicht vergessen kann. Damit hat sich der 90jährige, ewig junge Altmeister der Dirigierkunst, selbst und dem Publikum ein würdiges Geburtstagsgeschenk dargebracht.

Morgen wird dieses Konzert als Open-air-Veranstaltung auf den Theaterplatz übertragen, damit die Dresdner an dem Geburtstagsständchen zu Ehren ihres einstigen Kapellmeisters teilhaben können. Mancher, der ihn seinerzeit in den Schulkonzerten erlebte, wurde für die klassische Musik geworben. Schon damals war Herbert Blomstedt ein wirkungsstarker Mittler, dem herzlicher Dank zu sagen gilt!