Scroll Top

Helden wie wir?

Denise Evrard (Foto: PR)

Irgendwie tut es wohl not, eine thematische Klammer für einen Abend mit mehreren unterschiedlichen choreographischen Arbeiten zu finden. Am Ende gilt es ja, die Veranstaltung der Öffentlichkeit anzupreisen. Und dazu braucht es etwas, das man sagen kann. Das könnte aber auch schon der einzige Grund sein. »Noheroic« lautet ebenjene Klammer für die aktuelle Ausgabe der Tanzreihe »Linie 08« in Hellerau. Die freie Szene zeigt sich wieder. Ohne Helden? Antiheldisch? Oder heldenhaftes Versagen? Wenn »Die Marquise von O.« und Wildes »Salomé« einzelnen Arbeiten als Inspiration dienen, könnte man eigentlich eher von Heldinnen sprechen. Tragische zwar, aber dennoch. Je nach Sichtweise.

Den Anfang macht die Arbeit »manque avec« von Reimo Sandau und Ka Dietze. Reimo Sandau gibt hier gemeinsam mit Claudia Kraus das Tier. Im animalistischen Spiel werden Füße zu Händen zu Füßen. Der Boden wird abgesucht. Unnötig zu betonen, dass Tanz die ewige Suche spiegelt. Diese beiden sind mit-einander, drehen dem Publikum den Rücken zu und necken sich gegenseitig. Irgendwann hört man aus den Lautsprechern eine weibliche Stimme sagen: »Ich weiß noch nicht so ganz genau, was Du meinst.« Das ist der Vorteil dieser Arbeit. Die Formensprache ist fast greifbar, in manchen Momenten fast nicht abstrakt. Der im Titel steckende Mangel ist hier das Sprungbrett, die Basis für eine gegenseitige Sympathie zweier Individuen. Irgendetwas wie eine richtig gute Freundschaft. Das fühlt sich gut an.

Von derartigem kann in der zweiten Arbeit, »gegenpart« mit Denise Evrard und Fritz Bayer nicht die Rede sein. Hier ist sie, die Salomé, die Femme Fatal, die für ihren notgeilen Stiefvater die Hüften schwingt und dafür den Kopf Johannes des Täufers bekommt. Was sich in einer Oper endlos breitklopfen lässt, dauert hier knackige 15 Minuten. Alles drin, alles dran. Denise Evrard gibt eine asiatisch angehauchte Gierige auf einem zersplitterten Spiegelboden. Alles ist kaputt. Zwei Erdwälle erlauben die Assoziation zu zwei Gräbern. Sie gibt die Getriebene, die Wahnsinnige. Agitation, tiefste Erregung. Fritz Bayer in langem schwarzem Mantel spielt E-Gitarre und hat sein Pokerface mitgebracht. Herodes? Oder doch Johannes? Er ist derjenige, der angeschmachtet wird. Um ihn dreht es sich. Er ist der Mittelpunkt. Er sinkt irgendwann langsam dem Tod entgegen zu Boden. Und Salomé steckt sich ihre Haare wieder zusammen. Fertig. Feierabend. Schlüssig, wirkungsvoll und komplett durch eine saubere Dramaturgie getragen.

Die sucht man in der letzten Arbeit des Abends, die die »Marquise von O.« in sich trägt, allerdings vergeblich. Zita Pavlištová und Florian Busch sind ganz bei sich und lassen sich von breiten Geigenlandschaften in größter Filmmusikmanier durch ihre Befindlichkeitsäußerungen tragen. Dann wird mal bisschen mit Mehl und Wasser rumgepantscht. Dreck an den Händen? Ja, hat der Graf. Das weiß man ja. Aber sonst? Und die arme, arme Marquise ist ganz unschuldig. Wieso trägt sie dann so ein ultrakurzes, knallrotes Kleidchen mit Spagetthiträgern? Irgendwie funktioniert das nicht. Das Publikum wartet, schaut zu, aber auf dem Tanzboden tut sich nichts. Es geschieht nichts. Da verliert man leider schnell das Interesse.