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Frühstück in Prag

Fotos: PR

Im Zug von Berlin nach Prag reist die Welt über Dresden. Das Ticket gelöst hat die Band, die den Schimmer der Moldaustadt im Namen trägt. Für ihren Tourneeauftakt zum Album „Premiere“ ist »Prag« gestern in die volle Scheune gekommen.

Prag: das sind Nora Tschirner im Matrosenkragen, Tom Krimi mit Leopardenschlips und Erik Lautenschläger in der Mitte. Mit ihrem Titellied „Sophie Marceau“ laden sie uns ein, der Adressatin unserer Jugendliebe in den 80er und 90er Jahren, ja gerade der Verliebtheit selbst wieder zu begegnen. Der Refrain setzt ein – und schon tanzt sie wieder in Gummistiefeln und Miedern, fliegt über den Bahnsteig, wenn am Ende alles gut wird. Das versprechen »Prag« in gegenwärtiger Manier mit zwischen den Stimmungen schwebendem Tiefsinn in Liedern wie „Bis einer geht“ zwar gar nicht erst. Um nichts weniger lustvoll ist aber das Leben, das da besungen wird. Mit Liedern wie „Der Einkauf“ und „Einfach“ kommentieren sie so deutlich wie hintergründig den Zeitgeist.

PRAG: »Premiere«. Tynska Records (Tonpool), ASIN: B009TPYJOK (ca. 15 EUR)

Nora Tschirner, Gesang, Gitarre und Rhythmus, entfaltet ein Feuerwerk: Gesichtsfasching mit Rudi Carrell, sie lässt Katharina Witt mit ihrer Zunge sprechen, gibt sich vor Begeisterung über die Begeisterung des Publikums den neuen Mittelnamen „Dresden“ und tanzt, auch mit Erwin aus der ersten Reihe. Auch Erik Lautenschläger gibt dem Auftritt in seine Farbe. Es ist seine schnarrend samtige Stimme, die auch bei größter inhaltlicher Distanz, zum Beispiel in seinem bestätigenden „Ist so“, im Gestus keinen Hauch eines inhaltlichen Zweifels aufkommen lassen mag. Gerade dieses Changieren um den zwinkernden und herzenswarmen Ernst macht den Reiz der Band aus. Damit bewegen sich die Musiker in den Suchen der Zeit und begegnen dem Sehnen gleich auf zwei Seiten: dass es leicht und dass es wahr sein möge. Orchestral, feinsinnig getüftelt und ebenso durchgängig tanzbar, scheinen dabei Streicher und Trompete wie im Sound von »Element of Crime« anzuklingen. 

In die Scheune wollen sie immer wieder kommen, nicht nur wegen des Softeises. Hier nicht vor einem Plüschvorhang, aber dafür im Schein eines Lamettaregens auf der Bühne, bringt diese Tour sie nicht an die Moldau. Dort wurden nämlich die Orchesteraufnahmen gemacht und die Band gefiel sich in den Straßen der Stadt.

Schön war der Abend. Aus dem Titellied: „und ein Lächeln galt als Dank.“

J.B.