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Nur eine Wegstunde

Wie wär´s mit einem Ausflug nach Leipzig? Langsam glätten sich die Wogen an der dortigen Oper. Wir erinnern uns: unter der Intendanz von Udo Zimmermann ging erstmals der Titel „Opernhaus des Jahres“ in den Osten. Das Publikum hingegen ging immer weniger in die Oper. Zuletzt lag die Auslastung etwas über 60 %, gespielt wurde ohnehin so gut wie nur an den Wochenenden. Das Ballett hingegen blühte auf unter Uwe Scholz, der leider 2004 im Alter von 45 Jahren starb. 

Mit dem Intendanten Henri Maier, zuvor äußerst erfolgreich in Montpellier, sollte es bergauf gehen. Langsam kamen wieder mehr Leute in die Oper, die eben nicht wie die Dresdner Semperoper ein Touristenmagnet ist, sondern die Musikbühne eines Stadttheaters, wenn auch eine der größten dieser Art in Deutschland, in der zudem mit dem Gewandhausorchester einer der berühmtesten Klangkörper spielt. Maier setzte auch auf Publikumsgunst, manche nannten das Gefälligkeit. Für den 2005 zum Generalmusikdirektor ernannten Riccardo Chailly war das aber noch nicht schlicht genug; außerdem war ihm wohl der Weg über den Augustusplatz vom Gewandhaus zur Oper zu weit, er ging ihn selten. Maier wurde 2007 entlassen, mit einer hohen Summe abgefunden und zum bestbezahlten, stets gutgelaunten Spaziergänger Leipzigs.

Peter Konwitschny sollte es richten. Man machte ihn zum Chefregisseur. Gar nicht nach Chaillys Geschmack: ein Jahr später sage er der Oper Tschüss, der Vertrag als Chef des Gewandhausorchesters läuft derzeit bis 2015. Konwitschny störte das Ballett, unter Paul Chalmer vornehmlich klassisch orientiert, vom Publikum nach wie vor gern gesehen. Konwitschnys vorwiegend in Leipzig wieder aufgesetzte alten Hüte, richtig, neue Inszenierungen brachte er selten auf die Bühne, wollte das Publikum aber auch immer seltener sehen.

Inzwischen kann man vom „Leipziger Opernmodel“ sprechen: man trennt sich rasch, Geld spielt offensichtlich keine Rolle. Der neue GMD der Oper, Ulf Schirmer, ist nun auch Intendant, jetzt legt er los, die Chancen dürften günstig sein, Wagner und Verdi, die Jubilare der Saison gilt es zu feiern. Wagner wurde 1813 in Leipzig geboren, Verdis Opern waren im Haus am Augustusplatz stets eine sichere Sache.
Die Leipziger Opernsaison begann mit Verdi, für die Neuinszenierung des Publikumsrenners „Rigoletto“ holte man den vielgelobten Regisseur Anthony Pilavachi. Zu Beginn des neuen Jahres kommt „Nabucco“ heraus, ebenfalls Prominenz am Regiepult, Dietrich W. Hilsdorf, in der Titelpartie Markus Marquardt, in Dresden ja nicht gerade unbekannt.

Dann kommt Wagner. Das ist Chefsache; Ulf Schirmer dirigiert die Inszenierung des ganz selten zu erlebenden Jugendwerkes „Die Feen“ in einer Koproduktion mit den Bayreuther Festspielen. Dort erreichen „Die Feen“ auch nicht den Tempel auf dem grünen Hügel, immerhin die Stadthalle zu Füßen des Pilgerberges. Wagners anderen jugendlichen Geniestreich, „Das Liebesverbot“ gibt es im Rahmen eines wahrhaft vielfältigen Programms zum Wagnerjahr konzertant mit Orchester und Chor des MDR. Ein Blick ins Programm lohnt.

Von der Idee, Wagners Ring lediglich konzertant zu bringen, hat man sich verabschiedet. Das ganze Bühnenweihfestpiel kommt wieder auf die Bühne des Leipziger Opernhauses. Es beginnt im Mai mit dem Vorspiel „Das Rheingold“, Dirigat ist Chefsache, die Leipziger Ring-Regisseurin ist Rosamund Gilmore, als Tänzerin und Choreografin mit „Laokoon Dance Group“ eine Ikone der Moderne, inzwischen erfolgreich im Musiktheater. 

„Der Fliegende Holländer“ wird konzertant aufgeführt, „Parsifal“ wird wieder aufgenommen. Für jüngere Opernbesucher gibt es in deutscher Erstaufführung Pierangelo Valtinonis Oper „Pinoccio“.
Das Ballett der Oper Leipzig, mit über 40 Tänzerinnen und Tänzern, Sachsens zweitgrößte Kompanie, bringt nach wie vor in jeder Saison ein Stück von Uwe Scholz heraus, die meisten haben nichts verloren von ihrer Faszination und sind mehr als nur historische Reminiszenzen zumal sie jetzt in gänzlich neuem Kontext des Repertoires zu erleben sind. Mario Schröder, ausgebildet an der Dresdner Palucca Schule, langjähriger erster Solist bei Scholz in Leipzig, bekannt geworden als Choreograf und Ballettchef, vor allem in Kiel, setzt bewusst eigene Akzente, das Publikum kommt und setzt sich damit a useinander. Auch er widmet diese Saison dem großen Sohn der Stadt. „Ein Liebestraum“ heißt ein Abend, den er gemeinsam mit seiner Schwester Silvana, Ballettchefin in Altenburg-Gera, choreografiert. Wagners „Wesendonck-Lieder“, Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“ und in „Prelude aus Tristan und Isolde“ sind der Liebestod in der Orchesterfassung zu hören und Corrente Nr. 2 für Orchester von Markus Lindberg. Schröder bringt dann noch eine Ballettfassung des Nibelungenliedes heraus, kein Ton von Wagner, und seine Sicht auf „A Christmas Carol“ von Charles Dickens dürfte auch nicht gerade gängigen Vorstellungen entsprechen, dafür spricht schon seine Auswahl der Musik von Edward Elgar, Frank Bridge, Engelbert Humperdinck, Claude Debussy, Maurice Ravel, Edward Grieg, Luigi Dallapiccola und Arnold Schönberg.

Und noch ein Jubiläum gilt es zu feiern. Die MUKO, Leipzigs Musikalische Komödie, wird 100. Am 11. November, zum Beginn der närrischen Zeit, wird in Lindenau gefeiert: vor 100 Jahren wurde das Theater eröffnet, nach 1945, als das Neue Theater zerstört war, bis 1960 als Leipziger Opernhaus genutzt, wurde es zum „Haus der heiteren Muse“, seit 1968 MUKO, Musikalische Komödie, zur Oper gehörend, aber mit eigenem Ensemble, Orchester, Chor und Ballett. Im Jubiläumsjahr gibt’s eine neue „Fledermaus“, als deutsche Erstaufführung das Musical „Lend me a tenor“ nach dem Boulevarderfolg „Otello darf nicht sterben“. Auf den Mond geht’s auch, mit Paul Linckes Operette „Frau Luna“.

Und auch in der MUKO kommt man an Wagner nicht vorbei. „Der Ring für Kinder“, eine Fassung für junges Publikum aus Bayreuth, ab Januar an der Pleiße. Aufwind in Leipzig? Sieht so aus, zu wünschen wäre es ja nach so teuren Stürmen im Wasserglas.