Scroll Top

Geh aus, mein Herz, und suche Freud

Der Festspielintendant selbst ließ in der letzten Viertelstunde Stühle ordern und beteuerte noch anstehenden Gästen, dass keiner weggeschickt werde. Er hielt sein Versprechen, und so fanden noch ein paar mehr Besucher im Palais des Großen Gartens Platz, um den versprochenen Donauklängen zu lauschen. Vorgetragen wurden diese von »The Philharmonics«; das Ensemble besteht aus vier Musikern der Wiener Philharmoniker, einem Berliner Philharmoniker und zwei weiteren Kollegen.

Foto: Fadil Berisha

Auf dem Programm: eine Ouvertüre von Johann Strauß, der Slawische Tanz Nr. 2 von Antonín Dvořák, die Ungarische Rhapsodie Nr. 2 von Franz Liszt und weitere Werke von Komponisten entlang der Donau. Für jedes der Werke war die Verbindung von klassischer Musik mit volksmusikalischen, folklorischen Elementen essentiell. Verbindungen herstellen und Grenzen überschreiten – das ist der wichtigste Charakterzug des Ensembles. Die Bearbeitungen ließen viel Freiraum für Improvisation, daneben wurden eigene Kompositionen gespielt.

So arbeitet Tibor Kováč (Violine) in seinem Stück »Yiddische Mame« die jiddischen Klänge aus der Musik Gustav Mahlers heraus und arrangiert sie zu einem eigenständigen Werk. Kováč kündigte dazu Daniel Ottensamer an, »der Klarinette spielt, als hätte er ein Leben lang nur auf Bar Mitzwas gespielt.« Stimmung kam auf, als das Publikum nicht nur wild klatschte, sondern noch anfing zu johlen. »Sie können ruhig aufstehen, mitsingen und tanzen!«, forderte Tibor Kováč da auf.

Aber nicht nur Bauchmusik gab's, auch der Kopf war gefordert: die nachfolgende »K. u. K. Rhapsodie« von František Jánoška (Klavier) und Tibor Kováč war ein Klangrätsel. Unterschiedliche Motive vom »Rosenkavalier« über polnischen Tango bis hin zu Motiven aus russischen Zeichentrickfilmen sollten zu erkennen sein. Die Zuhörerschaft wurde zunehmend gelöster und wollte die Künstler gar nicht in die Pause lassen…

Der zweite Teil des Abends knüpfte verlustfrei an diese Stimmung an, steigerte gar noch die Intensität. Denn sowohl Kováčs »Souvenir de Bohème«, bei der russische und ungarische Folklore im Vordergrund stand, als auch der 6. und 5. »Ungarische Tanz« von Johannes Brahms hielt das Publikum ganz schön auf Trab. »Um den Puls runterzubringen«, gab es zum Ende noch mit »Alt Wien« von Leopold Godowsky ein ruhiges Stück. Und mit Jerry Bocks »Fiddler on the Roof« aus dem gleichnamigen Musical (deutsche Fassung: »Anatevka«) brachte »das letzte, offizielle Musikstück« wieder die jiddischen Klänge in den Palais. Wieder gab es einen Genrewechsel, wie zuvor bruchlos. Jedes Stück stand für sich allein und verband sich durch den roten Faden des Folkloristischen. Wie die Donau schlängelte sich dieses Motiv durch das gesamte Konzert.

Die Zugabe durfte bei dem tosenden Beifall natürlich nicht ausbleiben. Dabei zeigte Ödön Rácz, dass Nikolai Rimski-Korsakows »Hummeflug« auch auf einem Kontrabass in einer atemberaubenden Geschwindigkeit zu spielen ist. Ein Trostpflaster für all diejenigen, die das Konzert verpasst haben: Deutschlandradio Kultur überträgt heute Abend ab 21.15 Uhr den Mitschnitt des Konzerts.