Scroll Top

»Wuthering Heights«: Premiere einer 50 Jahre alten Oper in Freiberg

Am 11. Februar schaute Europa nach Freiberg: über fünfzig Jahre nach ihrer Uraufführung in Santa Fe feierte hier Carlisle Floyds zweite Oper »Wuthering Heights« (nach dem Roman von Emily Brontë) ihre europäische Erstaufführung. In Anwesenheit der Komponistengattin, die das Werk, so erzählte sie im Vorhinein, das erste Mal auf der Bühne sehen würde, hat Generalmusikdirektor Jan Michael Horstmann damit der Mittelsächsischen Reihe der Opern-Ausgrabungen eine weitere Nummer hinzugefügt. 

Foto: Detlev Müller

Auf Floyd war Horstmann bereits vor zehn Jahren gestoßen, berichtet er: beim Stöbern durch den Katalog von Boosey & Hawkes fiel ihm das offenkundig vernachlässigte Werk auf. Vor acht Jahren kam er nach Freiberg, damals "gab das Ensemble eine Aufführung nicht her". Als Haussänger Guido Kunze dann aber signalisierte, jetzt fühle er sich für die Hauptrolle bereit, hievte Horstmann die "Sturmhöhe" auf den Spielplan.

Oberspielleiterin Judith Semler begann sogleich, sich mit dem Stoff zu beschäftigen. Schnell stand fest: "wir wollten kein Heidekraut auf die Bühne pappen!" Gemeinsam mit dem Ausstatter Tilo Staudte stellte sie einen drehbaren, aus Treppen, Schrägen und Wänden zusammengefügten Klotz ins Zentrum der Bühne, der sowohl Innenszenen suggerieren half wie die wolkenverhangene Weite der Heide.

Musikalisch ist »Wuthering Heights" nicht aus einem Guß, aber es ist interessant, verschiedenen Einflüssen nachzuhören. Spröde, patriotische Klänge treffen da auf satte Streicher, kleine, in sich abgeschlossene Tanzformen auf weltumspannende Bögen. Nicht alles schüttelte die Mittelsächsische Philharmonie aus der Hand: mit mancher flüchtenden Achtelkette waren etwa die tiefen Streicher überfordert. 

Es ist dazumal schwer, diesen tappigen Protagonisten zu mögen. Guido Kunze spielt das Findelkind Heathcliff zuerst schüchtern, fast retardiert. Nach einer dreijährigen Abwesenheit von der "Sturmhöhe", auf der ihn sein Stiefbruder (Jens Winkelmann als Hindley Earnshaw) einst blutig prügelte, kehrt er als gemachter Mann zurück und sucht fortan, die junge Frau, die ihn einst verschmähte und inzwischen verheiratet ist, auf seine Seite zu ziehen. Lilia Milek singt diese Cathy mit Inbrunst, und mit Abstand stimmlich am überzeugendsten.

Die Romanvorlage erscheint dem heutigen Leser recht holzschnittartig; das gesamte männliche Personal beispielsweise besteht bei Brontë aus eindimensionalen, rohen oder ziemlich einfältigen Kreaturen. Schade, dass auch Semler nicht viel mehr aufzubieten weiß als den Standardbaukasten des kleinen Regisseurs: Zeitlupen in blauem Licht, Rampengestehe in Quartettszenen, und ohne den Sepiastich der stürmischen Heide geht's eben auch nicht.

Fazit: die Komplexität des ausufernden Romans ist von Floyd für die Bühne auf Standard-Maß zurechtgekürzt worden. So aber fehlt die leidenschaftliche Identifikation mit handelnden Personen, die sich beim Lesen von »Wuthering Heights« erst nach und nach einstellt. Zu abstrakt, zu gesucht wirken auf einmal die Schicksalsschläge, etwa wenn Hindley Earnshaw das Gutshaus im Spiel an Heathcliff verliert. Aber eine dünne Blutspur hat das Publikum vielleicht doch geleckt: wie wäre es demnächst mit der in Amerika ungeheuer beliebten ersten Oper Floyds, "Susannah", etwa an den Landesbühnen Radebeul?

Nächste Aufführungen: 19. Februar, 4., 6., 24., 27. März; 8. April; 19. Mai