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Vom Schall im Raum

Die Kreuzkirche erfordert bekanntlich einen sehr sensiblen Umgang mit der Akustik… (Foto: L. Muth)

Sie wurde als spannendes, Grenzen sprengendes Crossover-Projekt angekündigt: eine neue Jazzmesse von David Timm. Nach Leipzig und Görlitz folgte nun die Dresdner Aufführung. Am Sonntag fand das Benefizkonzert zum Erhalt der Kreuzkirche mit einer Jazzband, zwei berühmten Gesangssolisten, dem Landesjugendorchester Sachsen und dem Universitätschor Leipzig statt.

Die Kreuzkirche, nur mäßig gefüllt mit einem in vielerlei Hinsicht durchwachsenen Publikum, wurde Schauplatz eines recht außergewöhnlichen Stilmixes. Den Anfang machte der Chor, absolut herkömmlich, aber nicht langweilig, mit präziser und simultaner Artikulation, klarer, voller und ausgeglichener Stimmgebung. Bachs Motette „Komm, Jesu komm“ erklang so, wie man es sich erhofft, harmonisch und andächtig. Schleichend legte sich nach und nach sanftes Schlagwerk darunter, gab der Melodie einen neuen Rhythmus. Einige untermalende Akkorde des elektrischen Klaviers und ein Saxophonsolo eröffneten neue harmonische Möglichkeiten. Immer deutlicher kippte die Stimmung von andächtig zu anregend. Und ohne dass etwas von Bach verloren ginge, wurde das Erhabene seiner Musik aufs Angenehmste mit einer Prise Soul versehen. Der Chor verstand es, rauchig, und doch klar zu singen, und je nach gerade dominierendem Stil authentisch zu bleiben.

Einmal beim Modernen angekommen, sprang die Freude an der Musik während der nun folgenden drei Bearbeitungen Timms vollends von den Musikern auf das Publikum über. Besonders beeindruckend und gekonnt taten sich die Perkussionisten des Orchesters mit gemeinsamen solistischen Einlagen hervor. Kombiniert mit fesselnden Bass-Soli von Matthias Eichhorn und ausgezeichnet improvisierten Saxophonparts durch Reiko Brockelt überzeugten Timms Variationen der Bach´schen Musik. Durch verschiedene, ineinander übergehende Instrumentalstimmen, die sich im Kirchenraum überlagerten, verfehlte der erste Einsatz der Gesangssolisten Matthias Knoche und Tanja Pannier leider vollkommen seine Wirkung. Dass sie sangen, war tatsächlich einzig an den bewegten Mündern und leuchtenden Mikrofonlämpchen zu erkennen. Dieses Phänomen und sich überschneidende Melodien im Kirchenraum, ineinander verworren und lang im Raum schwebende Töne, verfälschten leider bis Konzertschluss das Hörerlebnis erheblich und machte es schwer, einzelne Melodieläufe nachzuvollziehen.

In den ihnen zugedachten, schlichter begleiteten Soli präsentieren die Gesangssolisten ihr Können mitreißend. Fast komplett versunken in der Improvisation, blind aufeinander eingespielt und facettenreich erklangen ihre Stimmen und ergänzten sich stets. Herausragend faszinierte Tanja Pannier durch eine sorgfältige Tongebung und Stimmtechnik, sodass sie authentisch mit den verschiedensten Klangfarben ihrer Stimme die Musik David Timms bereicherte.

Die nach der kurzen Pause aufgeführte Jazzmesse stellte eine Steigerung gegenüber dem ersten Teil dar. Der Chorgesang war in einstimmigen Momenten außergewöhnlich strahlend, tragend und rein. An langsameren Stellen wirkte er ehrwürdig und sinnlich, ohne schleppend zu werden. Die schnelleren Stücke gerieten trotz der sich leider im Raum überlagernden instrumentalen Stimmen, zu denen noch anspruchsvolle Chorsätze kamen, nicht aus dem Ruder. Vielmehr fügte sich in vielen Wiederholungen, Variationen und Improvisationen eine Stimme nahtlos in die andere, wechselten hier beispielsweise die Gesangssolisten, die die Blechbläserstimme sangen, in die Chorsätze über.
Insgesamt ein faszinierendes Konzertprogramm mit hervorragenden Musikern, die sich bestens präsentierten. Und nichts konnten für den vielen Hall im Raum.