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Friedels musikalische Überraschungspremiere

Auf Bühne und Leinwand ist der Schauspieler Christian Friedel bekannt. Weit über Dresdens Grenzen hinaus. Dass er ein begnadeter Musiker ist, der nicht nachträllert, sondern eigene Lieder schreibt, wussten bisher nur wenige. Das wird sich nach seiner ersten kleinen Tour ändern. Garantiert.

Die Bühne ist dunkel. Violettes Licht scheint auf die Instrumente. Sphärische Klänge durchdringen den Saal. Ein Lautsprecher knackt. Ein Mann tritt aus dem Dunkel. Eine Wunderkerze in der Hand haltend singt er a cappella. „Schönster Abendstern“. Danach „Es zieht eine Wolke herein“. Bis jetzt ist kein Wort gefallen. Was für eine soprannahe, facettenreiche Stimme. Nein, es ist nicht Christian Friedel. Noch nicht. Felix Räuber, Frontmann von Polarkreis 18, begrüßt das zahlreich erschienene Publikum. Barfuß, nur beschränkt auf das Wesentliche singt er. Volkslieder. Volkslieder? Ja. „Mein Herz und ich“. Die Musik kommt vom Band. „All meine Gedanken, die ich hab“. 600, 700 Jahre alt ist dieses Lied. Und immer noch ein Hit. „Allein, allein“ von Polarkreis 18 auch. Pur oder nur am Klavier begleitet, taugt es ebenso zum Volkslied. Wenn es nicht längst eins ist. Weil es im aktuellen Arrangement überrascht und dennoch schwungvoll oder verhalten mitgesungen werden kann.

Die Pause nach einer halben Stunde kommt etwas unverhofft. Die Bühne wird umgebaut. Ein paar Lichtelemente aufgestellt, die Instrumente gerückt. Und dann kommt er. Christian Friedel eröffnet, sich selbst am Keyboard begleitend, mit „The Closer“, dem Lied, das seinem aktuellen Album den Namen gab. Es mag pathetisch klingen, aber Emotionen fluten den Saal. Das Publikum von ganz jung bis reif, klatscht heftig. Vereinzelte Juchzer sind zu hören. Wie schafft das der preisgekrönte Schauspieler? Es ist seine erste Tour als Musiker. Er ist authentisch, er nimmt sich selbst nicht zu ernst und er lebt seine Musik. Welcher Rocker in ihm steckt, sieht man ihm auf den ersten Blick nicht an. Gut so. Denn der 32-Jährige beherrscht die Klaviatur der Töne von zart bis stark. In melancholischen Passagen vibriert seine Stimme, in rockig-lauten Parts strömt Kraft von der Bühne. Dazwischen Geplauder. Scherze. Persönliches. Alles wohl dosiert, aber echt. Zwischen die Songs seiner CD „The Closer E.P.“ streut er neue, teils erst wenige Tage alte, Lieder. Nicht alle sagt er an. Und wenn, löst er Aha-Effekte aus. Macbeth’s letzte Worte vertont? Natürlich. Die Brücke zum Schauspiel. Kein entweder-oder. „Soon“ widmet er den Frauen, schließlich ist Frauentag. „Suitcase“ verzaubert mit elektronischen Spielereien.

Klar war vor dem Konzert nur eins: es wird Überraschungen geben. Und es gab sie. Das Duett mit der Dresdnerin Marie-Sophie Kanske gehört auf jeden Fall dazu. Erst kurz vor Konzertende lüftet Christian Friedel das Geheimnis seiner Band. Insider haben es längst erkannt. Die Musiker von Polarkreis 18 geben den Rahmen, als hätten sie nie anderes gespielt. Auch wenn die Tatsache dem Umstand geschuldet war, dass Friedels ursprünglicher Keyboarder ausstieg und ihm damit die schicksalhafte wie gefürchtete Suche nach rarem Ersatz nicht erspart blieb, verriet nur Polarkreis 18-Sänger Felix Räuber, was seine Mannen nach dreiwöchiger, nicht täglicher Probenarbeit bessern könnten. Maximal Feinheiten. Vielleicht. Denn wie das Musikprojekt weitergeht, ist offen. Friedels zugegebene Befürchtung, das Schauspielhaus nicht voll zu bekommen, erwies sich schon mal als unbegründet. Längst sind internationale Kollegen auf ihn aufmerksam geworden. Wie der Brasilianer Anthony, dessen Song „Girl“ er covern durfte.

Grandioses Finale mit Christian Friedel, Felix Räuber und Marie-Sopie Kanske

„I didn’t notice“ kann Christian Friedel daher nur singen. Zweifeln darf er auf keinen Fall. Natürlich hat er mitbekommen, dass man ihn hören will. Live. Drei Zugaben erbittet das Publikum. Vermutlich wären es mehr geworden. Doch Friedel will in seinen Geburtstag feiern und lädt alle ein, dabei zu sein. Dass er sich abschließend an „Purple Rain“ traut, kann nur heißen, von ihm ist noch einiges zu erwarten. Hoffentlich. Wer das Konzert verpasst hat, kann den Schauspieler übrigens mit seiner ganz eigenen Interpretation dieses Gänsehaut-Liedes in „Das Erdbeben in Chili“ hören. Im Dresdner Staatsschauspiel.

 

Fotos: Annett Zollfeldt