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IC Falkenberg und Anja Krabbe stellen neues Live-Album vor

Gemeinsame Auftritte von IC Falkenberg und Anja Krabbe haben Seltenheitswert. Während Ex-Stern-Meißen-Frontmann IC (Ralf Schmidt) hierzulande eine treue Fangemeinde hat und in beachtlicher Kontinuität seine Anhänger an bekannten und neuen Projekten teilhaben lässt, ist Anja Krabbe in der Region noch eine Art Geheimtipp. Das dürfte einer der Gründe für das Live-Album Morgen im Dezember gewesen sein. Neben dem inoffiziellen Attribut „Musikalisches Traumpaar“. In den Genuss des ersten von nur zwei Record Release-Konzerten kamen die Dresdner am 12. September in der Lukaskirche (zweites Konzert: 18. September 2009 in Berlin).

IC Falkenberg und Anja Krabbe betreten die Bühne. Er sitzt am Flügel. Sie spielt Gitarre. Es fällt kein Wort. Morgen im Dezember – der Titelsong des 2007 und 2008 in Berlin aufgezeichneten Live-Albums stimmt in einen Abend ein, der als besonders emotional im Gedächtnis bleiben wird.

Kaum zu glauben, dass viele Duette Silly-Repertoire sind. Traumpaar beispielsweise. Der Text von Tamara Danz spricht beiden aus der Seele. Für Anja Krabbe „steckt heute noch so viel Wahrheit in dem Lied“. Es ließe sich angesichts seiner Metaphern trefflich als aktuelles Argument zur deutsch-deutschen Geschichte einsetzen. IC und Krabbe verzichten darauf. Sie haben von jeher ihre eigene Meinung zu den Dingen. „Wir als gesamtdeutsches Werk – so schön kann es sein“, schmunzelt IC. Das ist Ansage genug. Dramaturgisch klug folgt Osten, ein Solo von IC, entstanden in den 90ern, „als Leute ihre Biografien neu schrieben“. Er wundert sich darüber: „Wenn man los geht, muss man doch wissen, wo man herkommt…“

Wie es auf der anderen Seite Deutschlands aussah, beschreibt Anja Krabbe in Überall und nirgends. Sie nennt es ein Symptom ihrer Generation und lässt ihre Stimme zwischen sanft und rockig-trotzig schwanken. Innere Zerrissenheit spiegeln auch Du hast mich verliebt, ein IC-Solo mit Gitarre, Bitte bleib, ein Anja-Krabbe-Solo und das Duett Ich und du. Das Idealbild der Liebe ringt Anja Krabbe mehr als ein Seufzen ab.

Zwischen den Liedern wirft sie sich mit IC verbale Bälle zu. Er amüsiert sich über eine liebenswerte Panne. Als die Emotionen scheinbare Verwirrung ob Anjas schwierig zu beherrschender Konzertgitarre auslösen, erklärt er dem Publikum kurzerhand die Geheimnisse der Stimmgeräte. „Zähl doch mal ein.“ „Ach ja…“ Authentische Harmonie im Dialog, die sich körperlich spürbar im Kirchenschiff ausbreitet. Musikalisch auf den Punkt gebracht in Tief oder Am Ende der Euphorie. Für So ‘ne kleine Frau (Silly) überlässt IC die Bühne Anja Krabbe und das Publikum mit Gänsehaut in die Pause.

Teil zwei eigne sich gut als winterliches Programm, sinniert IC einleitend. Doch die folgenden Lieder könnten für jede Jahreszeit stehen. Regenbogen, Ich komm bei dir an, Winter und (zu) selten gespielt Wolf unter Wölfen. Nicht auf dem Live-Album, aber zeitlos schön und immer gut für überraschende Klangnuancen: Wetter im Duett oder Piraten. Über Asyl im Paradies, gesungen von IC Falkenberg und Anja Krabbe, ist viel geschrieben worden. Ein Kunststück, bei dem es schwer fällt, sich von eigenen Gefühlen zu distanzieren. In den Reihen rascheln Taschentücher. Tränen fließen. Bei Weitem nicht nur bei Frauen. Für kathartisch wirkende Musik wurden viele Superlative erfunden. Hier verbieten sie sich. Sie würden beiden Künstlern kaum gerecht, die sich immer in der Interaktion mit ihrem Publikum sehen, ihre Lieder leben.

Schnee und Erde, kürzlich erst im Akustikgewand von STERN akustisch wie neugeboren erschienen, beschließt das Konzert als bezaubernde Version, die man so gern öfter live hören würde und zwischendurch im Radio sehr vermisst. „Was bleibt nicht bleibt“, heißt es darin. Leider. Der Abend verfliegt in gefühlter Kürze. Knapp zwei Stunden sind dem Publikum nicht genug. Erst nach sechs Zugaben, unter anderem Krieger wie uns und So nah vom nächsten Meer von IC oder Anja Krabbes allererstem, völlig zu Unrecht weitgehend unbekannten, Lied I’m afraid und dem sanft-entschlossenen Natürlich kann ich fliegen, entlässt es das musikalische Traumpaar, wohl wissend, dass es ein Wiederhören in dieser Konstellation nicht so schnell wieder geben wird.

In Erinnerung bleibt ein Musikerlebnis, das sich lohnt, konserviert zu werden. Authentisch. Menschlich und stimmlich eindrucksvoll. Emotional-meditativ. Melancholisch. Optimistisch. Genial. Morgen im Dezember. Unbedingt!

Fotos (2): Kathrin Neugebauer