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Von Rösseln und Schlössern

Heute geht es wirklich vor die Tore der Landeshauptstadt, nach Radebeul, an die Landesbühnen. Es war ja viel die Rede von dieser Institution mit Musiktheater, Ballett, Schauspiel und im Zusammenspiel aller Sparten bemerkenswertem Angebot an theaterpädagogischen Projekten für Jugendliche. Zudem präsentiert die Kölner TanzTheater-Compagnie bodytalk im Rahmen des von der Bundeskulturstiftung geförderten „Doppelpass-Programms“ ihre Produktionen im Radebeuler Stammhaus der Landesbühnen. Gemeinsam mit der experimentellen Tanz- und Performancegruppe aus Köln will man unsere „Über/nFlussGesellschaft“ ergründen. Die ersten künstlerischen Ergebnisse werden schon im Oktober und im November präsentiert. Am 20. 10. gibt es zwei Tanzstücke, „FOREVER YOUNG“ und „DÄMONEN“ Am 28. heißt es „Sie erklären STEPHAN KRAWCZYK die Welt“, komisch, meistens sind doch Liedermacher diejenigen, die uns die Welt erklären, Altmeister Schöne machte es gerne mit Wasserfarben. Passend, am 11.11.2012, zeigen die Kölner dann ihre trashige Polit-Tanz-Performance „Zig Leiber | Oi Division“, dafür bekamen sie im letzten Jahr den Leipziger Bewegungskunstpreis.

Bewegen müssen sich Landesbühnenmitglieder sowieso. Manche Menschen denken ja immer noch, Landesbühnen, das ist nur die etwas ungewöhnliche Bezeichnung für das Stadttheater in Radebeul. Weit gefehlt: die Kunst wird von Radebeul aus ins Land gebracht und nach allem was man aus seiner Zeit als Intendant des Mittelsächsischen Theaters in Freiberg-Döbeln von Manuel Schöbel weiß, wird er sicher nun als Landesbühnenchef noch etliche Orte in und um Radebeul herum, im ganzen Lande auch, finden wo das Theater hingehört.
Letzten Sonntag beispielsweise gab´s im Keller des Erlebnisweingutes Schloss Wackerbarth den fließbandgefertigten Dauerbrenner der Berliner Unterhaltungsindustrie der 30er Jahre, „Im weißen Rößl“, mit den vielen bekannten schönen Schlagern in schmusiger Terzenseligkeit. Zuvor wurde ein Menü in vier Gängen serviert, dazu köstliche Weinproben, in der Pause was Süßes, auf dem Teller und im Glas und dann war knapp eine halbe Stunde vor Mitternacht sowieso die ganze Welt himmelblau. Ob hinterher noch getanzt wurde weiß ich nicht; um wieder nach Pieschen zu kommen, musste ich mich sputen, um den Bus um 23.37 Uhr zu erwischen.

Am Tag zuvor wurde die Musiktheatersaison mit der ersten Opernpremiere eröffnet. Annette Jahns hatte Rossinis „Der Barbier von Sevilla“ inszeniert und dabei sicher so manche Erinnerung an ihre eigenen Erfahrungen als fest engagierte oder gastweise reisende Sängerin eingebracht, denn mitunter hatte ich den Eindruck es gäbe einen Schnellkurs in Sachen „Oper auf Abstecher“ im praktikablen IKEA-Design. „Probt ihr noch oder spielt ihr schon?“, das fiel mir nicht gerade im Hinblick auf das sympathische Sängerensemble oder den hoch motiviert und körperlich einsatzkräftigen Maestro Michele Carulli in den Sinn, aber bei dem, was da manchmal vom Orchester zu hören war schon. Nun gut, die erste Opernpremiere mit dem Orchester der Elbland Philharmonie Sachsen, dessen Mitglieder hier künftig den Ton angeben, ist über die Bühne gegangen.

Die nächste Opernproduktion gilt dem Jubilar des nächsten Jahres. Wer gehofft hatte, Radebeul mache den Ring in Rathen wird enttäuscht sein. In der Premiere, am 8. Dezember, werden Karneval und freie Liebe verboten, das nicht gerade bekannte Werk von Richard Wagner folgt einer Komödie Shakespeares, heißt „Das Liebesverbot“, ist eine große komische (!) Oper, spielt in Palermo und klingt total europäisch, denn der Meister lässt seinen Vorlieben für französische, deutsche und italienische Kollegen des Musiktheaters freien Lauf. Dann stellt sich auch der GMD des Orchesters der Elbland Philharmonie, Christian Voss, in der Oper vor.

Der neue Operndirektor der Landesbühnen ist auch ein Dirigent, bislang GMD der Mittelsächsischen Philharmonie und berühmt für seine Entdeckungen selten gespielter, vergessener oder hierzulande total unbekannter Opern mit dem Ensemble des Theaters Freiberg-Döbeln.
Bei seinem Radebeuler Einstand wird Jan-Michael Horstmann seiner Sympathie für die Werke der Barockzeit nachgehen und Monteverdis „L´Orfeo“ nicht nur dirigieren, sondern auch inszenieren. Der neue Karajan vor den Toren Dresdens. Mehr noch, es könnte gut sein, dass Jan-Michael Horstmann demnächst auch singend mit den Landesbühnen durch die Lande zieht.

Es mochte in den letzten Jahren manches Auf und Ab gegeben haben, das ist im Theateralltag normal, ungebrochen in der Gunst des Publikums, das Ballett der Landesbühnen Sachsen mit seinem Chef Rainer Feistel. Die Kompanie ist klein mit ihren 13 Tänzerinnen und Tänzern, aber sie ist spitze! Zunächst als Produktion im Stile eines Kammertanzabends, „Am Ufer der Zeit“, zwei Teile, Musik von Bach und Grönemeyer, ab 16. November, als Ort ist „junges.studio“ angegeben, und was da geschieht soll sich an „überwiegend junges, jugendliches oder jung gebliebenes Publikum richten“, so Klaus-Peter Fischer, als Leiter dieser Einrichtung.

Für die großen Bühnen choreografiert Rainer Feistel Orffs „Carmina Burana“, Premiere des musikalischen Dauerbrenners in Radebeul, am 30. März 2013. Es soll eine multimediale Aufführung werden nach Art der „Laterna magica“ im digitalen Zeitalter. Also hineintanzen in den Film, wieder heraus aus demselben, mit sich selbst tanzen, sich selbst und andere doppelt sehen… Nach all dem, was da so in Orffs szenischen Kantate durch die Kehlen rinnt, wenn sich das Glücksrad dreht, sollte es auch dramaturgisch und choreografisch konsequent sein, wenn sich die Protagonisten doppelt sehen. Gut, wenn die Zuschauer dann noch durchsehen!

In der Operette geht es auf den Mond. Am 4. Mai nächsten Jahres, im Theater in Meißen kommt Paul Linckes „Frau Luna heraus“ – Berliner Luft an der Elbe. Für den Operettenspezialisten Volker Klotz verlegt Lincke Rixdorf („In Rixdorf is Musike…) auf den Mond und da herrsche dann auch nur „Mollen-Provinzialismus“, man will letztlich doch zurück, denn „Schlösser, die im Monde liegen, bringen Kummer, lieber Schatz…“

Für die Uraufführung eines Musicals auf der Felsenbühne in Rathen, am 22. Juni 2013, kommt der ehemalige Operndirektor Horst O. Kupich als Regisseur zurück. „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ heißt das Stück nach dem Kultfilm, Musik: Thomas Zaufke, Text: Katrin Lange.
Die Landesbühnen Sachsen sind in Meißen, Großenhain, Freital, Böhlen, Torgau und Bad Elster zuhause, im feudalen und im sakralen Raum und im Nationalpark Sächsische Schweiz, und mittendrin, vor Dresdens Toren, ist das Stammhaus, das Theater in Radebeul, am Bahnhof „Weißes Roß“ – nicht zu verwechseln mit dem „Weißen Rößl“.