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Vater der Chormusik wird aus dem Schatten geholt

Ein Denkmal für Heinrich Schütz! Keine Konkurrenz allerdings für Berndt Wildes 1985 errichtete Stele am Zwingerteich, sondern ein klingendes Denkmal soll dem einstigen Hofkapellmeister errichtet werden. So haben es Dresdner Kammerchor, Kulturradio MDR Figaro und Stuttgarter Carus-Verlag beschlossen und das gemeinsame Projekt schon mit den ersten beiden CD-Einspielungen begonnen. Insgesamt ist die Edition auf etwa 20 Scheiben angelegt und soll bis zum Jahr 2017 abgeschlossen sein.

An historisch verbürgten Orten, die mit dem Dresdner Wirken von Schütz (1585 – 1672) zu tun haben, wurde dieses Vorhaben gestern erläutert. Beginnend auf einer Baustelle, der Schützkapelle im Residenzschloss, wurde die Präsentation im Ambiente der Heinrich-Schütz-Residenz, einem quasi historischen Neubau, beendet. Beide Orte tragen Symbolcharakter. Basierend auf dem vorhandenen Erbe soll aus der heutigen Moderne eine kundige Annäherung an die Musik dieses für die Musikgeschichte so bedeutsamen Komponisten gewagt werden. Nach „Geistlicher Chor-Music“ von 1648 und „Italienischen Madrigalen“ folgen im Herbst als dritte Aufnahme „Zwölf Geistliche Gesänge“.

Für den von Hans-Christoph Rademann 1985 gegründeten und bis heute geleiteten Kammerchor ist dieses Projekt in der Jubiläumssaison zum 25jährigen Bestehen Chance und Wagnis zugleich. Anliegen sei, so der schon als Kruzianer mit dem „Kosmos Schütz“ eng verbundene Dirigent, den bedeutenden Komponisten wieder aus dem Schatten herauszuholen. Musiklehrer mögen zwar das Triumvirat Schütz, Schein, Scheidt als die Basis der deutschen Musikentwicklung preisen, doch in der allgemeinen Wahrnehmung dürfte Johann Sebastian Bach als „Anfang und Ende aller Musik“ (Max Reger) den genau 100 Jahre vor ihm geborenen Meister kräftig übertrumpfen. Dabei darf Schütz durchaus als „der erste deutsche Musiker von europäischem Rang“ gelten, wie die Edition zugkräftig beworben wird. In der Tat erfuhr er auf zwei Italien-Reisen wichtige Impulse für das eigene Schaffen, das wiederum seine Nachfolger – insbesondere Chor-Komponisten von Bach bis Reger und darüber hinaus – kräftig beeinflusste. Nicht zu Unrecht gilt Schütz als „Vater der Chormusik“.

Neben dem fraglosen „Reiz des Gesamtwerkes“ ist es Rademanns Anspruch, einen innovativen Komponisten zu würdigen und die Vielfalt seiner musikalischen Palette zu zeigen. Dabei gehe es weniger um die sogenannte historische Aufnahmepraxis: „Wir bemühen uns um eine adäquate Wiedergabe und pflegen den Grundsatz ʹhistorisch informiert, heute interpretiertʹ.“ Wichtig sei hingegen, „beste Leute zu integrieren, um die Musik zu verlebendigen.“ Mit Solisten wie Hille Perl und Harry van der Kamp scheint das Niveau beachtlich.

Bereits im April werden die „Musikalischen Exequien“ von Heinrich Schütz in Meißen und Dresden aufgeführt. Die Besucher künftiger Konzerte können dies mit einer kleinen Stadtführung auf den Spuren des Barockmeisters verbinden, die von der Kreuzkirche via Oper und Schloss auf den Neumarkt führen wird.

Eine Textfassung des Artikels ist am 12. März in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.

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