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„Die Programmierer haben alle Hände voll zu tun“

Die neue Traumbühne im Internet muss sich gegen eine Flut von hochwertigen Gratisangeboten behaupten (Screenshot)

Jan Vogler, knapp zwei Dutzend Konzerte haben nun schon auf der neuen „Traumbühne“ stattgefunden – immer live, immer weltweit gestreamt. Sind Sie als Mitgründer mit der bisherigen Resonanz von Dreamstage.live zufrieden? 

Ja, das bin ich. Gerade in Regionen, in denen gerade gar keine Konzerte stattfinden, haben diese Live-Konzerte beide Seiten glücklich gemacht – die Musiker und das Publikum.

Hat sich über Influencer-Videos bereits weltweit eine treue Followergemeinde erspielt: die Pianistin Tiffany Poon (Foto: Eddie Wong)

Verraten Sie, wie viele Zuschauer bei der Premiere mit Ihnen und Hélène Grimaud, bei Tiffany Poon oder bei Martin Stadtfeld dabei waren? Und aus welchen Ländern die bisherigen Zuschauer zugeschaltet waren?

Es waren jeweils Zuschauerzahlen im drei- bis vierstelligen Bereich. Da wir aber keinen Künstler über den anderen stellen wollen, veröffentlichen wir keine konkreten Zahlen pro Konzert. Es ist ja ein ganz neues Medium und wir sind dankbar, dass uns diese fantastischen Musiker auf diesem Pfad in die Zukunft folgen, das ist keineswegs selbstverständlich.

Sie selbst haben kürzlich geschildert, wie wichtig die Dialoge zwischen Künstler und Konzertpublikum sind: die Erfahrung, live vor Publikum zu spielen, der ‚Kick‘, den Sie schilderten und der den Künstler zu Höchstleistungen treibt, lässt sich digital bisher kaum herstellen. Dennoch treten die Künstler bei „Dreamstage“ ohne Livepublikum auf, obwohl das sicherlich unter Beachtung der aktuellen Hygienevorschriften möglich wäre. Fehlt da nicht ein entscheidendes Element, um eine Aufführung gelingen zu lassen? Wie haben Sie und Hélène Grimaud das empfunden?

Wir hatten tatsächlich einige enge Freunde im Saal. Das hat völlig gereicht, um uns ganz in die Konzertatmosphäre eintauchen zu lassen. Aber auch diese fast geisterhafte Präsenz der weltweiten Zuschauer hat uns angetrieben. Das habe ich schon im März bei Music never sleeps NYC bemerkt, Streaming hat seinen ganz eigenen Reiz und ist völlig anders als zum Beispiel die Arbeit im Studio. 

Screenshot: Alexander Keuk

Mehr und mehr wird der sogenannte Simulcast Schule machen, das bedeutet, dass im Saal Publikum sitzt und das Konzert trotzdem gestreamt wird. Wir hatten letzte Woche ein solches Konzert, einen sehr schönen Schubert-Abend mit Julian Pregardien, Christian Tetzlaff und Freunden aus Bremen. Und auch beim Weihnachtskonzert des Dresdner Festspielorchesters, am 12. Dezember 2020 im Kulturpalast wird es so sein.

Wir, das Publikum, haben uns im Internet an hochwertige Gratisangebote gewöhnt. Im September habe ich etwa das „Lunchtime Concert“ von Igor Levit aus der Wigmore Hall verfolgt. Fantastisch! Hat die „Dreamstage“ gegen diese Übermacht überhaupt eine Chance, dem Publikum zu vermitteln, dass Kunst Geld kostet?

Es ist ein langsamer Wandel. Wir haben alle im Frühjahr kostenlos gespielt. Es hat uns mit unserem Publikum verbunden, denn Covid-19 betraf uns alle – wir saßen alle in einem Boot. Inzwischen gibt es aber durchaus Branchen, in denen eine gewisse Normalität eingekehrt ist. Aber keineswegs im Musikbetrieb. Viele Zuhörer finden es völlig selbstverständlich, dass man nun auch für eine virtuelle Konzertkarte bezahlt und gerade das Klassik-Publikum ist da bereit, sich umzustellen. Viele Menschen haben – auch wenn sie schon hier und da wieder in Konzerte gehen dürfen – Ängste Veranstaltungen zu besuchen, und so kommen die Musiker zum Publikum nach Hause.

Der Plan war, diesen Herbst die Plattform für Künstler aller Sparten zu öffnen, damit sie ihre eigenen Konzerte streamen können. Ist dafür schon ein Termin vorgesehen? Werden die Künstler dann ihre eigenen Eintritts-Preise festlegen können, oder wird es ein festgelegtes Ticket-Schema o.ä. geben?

Jan Vogler (Foto, auch Titelfoto: Marco Grob)

Das wird kommen. Momentan experimentieren wir mit anderen Genres, zum Beispiel mit einen Hip-Hop-Konzert am 23. Oktober, mit den Rappern aus Chicago Chief Keef und Polo G. Wir haben auch Pläne für Jazz und Rock. Die Plattform für alle könnte noch bis Januar dauern, die Programmierer von Dreamstage haben alle Hände voll zu tun. Aber dann kann der Künstler tatsächlich alles selbst festlegen, vom Programm über den Ort bis hin zum Kartenpreis.

In welcher Form wird die Dreamstage dann Teil der Dresdner Musikfestspiele 2021 werden?

Wir werden versuchen, so viele Konzerte wie möglich zu streamen, wir nehmen dazu jetzt Kontakt mit den Künstlern auf. So kann dann auch in Asien, Amerika oder Indien Dresdner Festival-Atmosphäre aufkommen. Allein die wunderbaren Spielstätten sind ein tolles Kommunikationsmittel. Eine große Marketing-Chance für die Festspiele, und ein wichtiger Schritt in die Zukunft der Musik.

Vielen Dank für das Gespräch!

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