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Dresden sinkt

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Wo man singt, da lass dich ruhig nieder? Zu Weihnachten 2014 war da plötzlich ein Fragezeichen. Pegida hatte zum gemeinschaftlichen Weihnachtsliedersingen aufgerufen. Das Jahr, das folgte, war reich an ähnlich bizarren Eindrücken.

Der letzte Montag vor Weihnachten, dieses Mal. Ein besonderer Abend in Dresden. Überall in der Stadt wurde gesungen. Naja, fast überall. Beidseits der Elbe zumindest, auch wenn gewiss nicht alles für die ungeschützte Rubrik des Gesanges taugte, was da am Ufer erklang. Vom Theaterplatz erscholl Beethovens „Ode an die Freude“, die noch längst nicht alle Menschen zu Brüdern werden ließ; eine musikalische Antwort auf den Chor der patriotischen Kleingartenzwerge.

Mit besonderer Erwartung und nicht frei von Skepsis wurde jedoch dem Adventskonzert des Kreuzchores im Fußballstadion entgegengesehen. Der Ansturm des Publikums war beträchtlich. Um die 15.000 Menschen versammelten sich auf dem Rasen und auf den Rängen. Unter dem Motto „Danke, Dresden!“ wollten die Kruzianer ihrer Stadt, in der sie seit bald 800 Jahren zu Hause sind, eine Reverenz erweisen. Es sollte eine Einstimmung auf das Chor-Jubiläum im kommenden Jahr werden.

Bei den nahezu frühlingshaften Temperaturen war es zwar schwer, die weihnachtliche Stimmung zu treffen, doch mit Speck fängt man bekanntlich Mäuse. Das Publikum sollte möglichst vom Spielfeld zum Konzertbesuch gewonnen werden. Freilich geriet die Vorstellung zu einem Wechsel aus Konzert und Lesung, aus Zuhören und Mitmach-Programm. Gunter Schoß hat da durchaus begeistert, Elisabeth Markstein und eine Operetten-Band um Peter Christian Feigel empfanden viele Konzertbesucher aber als entbehrlich. Was als „Großes Adventskonzert“ überschrieben war, bot einen Mix aus klassischen Weihnachtsliedern, die teils arg kitschig aufgehübscht worden waren, mit schauerlichem Crossover bis hin zum Kaufhausgesäusel.

Immerhin sprang hier und da der Funke über, wenn Kreuzkantor Roderich Kreile das Publikum zum Mitsingen zu animieren verstand. Bei „Stille Nacht“ leuchteten Wunderkerzen und Mobiltelefone im Stadion, Filmeinblendungen aus dem Leben der Kruzianer wurden beschmunzelt und mit Applaus belohnt, auf eine Sequenz mit der Kanzlerin gellten Pfiffe.

Der Kreuzchor als Entertainment? Die Veranstalter hätten besser getan, auf die versuchte Musicalstimmung zu verzichten, um die Kinder- und Weihnachtslieder, den Abendsegen aus „Hänsel und Gretel“ sowie Bachs „Ave Maria“ für sich wirken zu lassen – und so den ureigenen Qualitäten des Chores ganz zu vertrauen. Der Kreuzchor ist noch immer da am besten, wo man ihn ganz Kreuzchor sein lässt. Wo man ihn der großen Phrasen entkleidet, sich die Werbung für teure Uhren und große Autos wegdenkt.
Wo man ihn singen lässt.

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