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Mielitz glaubt den Tönen nicht

Foto: Matthias Creutziger

Es war Freitag Mittag, sechs nach zwölf, als die E-Mail aus dem Ministerium eintraf. Danach war in der kleinen Semperopernwelt erst mal nichts mehr wie vorher. Der Intendant, noch nicht mal angetreten, schon rausgeschmissen. Sein Mantra der letzten Monate: die Staatsoper biete tolle Orchesterkonzerte, aber nur biedere Provinzoper, und das gelte es zu ändern. Verständlich, dass man auf die abendliche Premiere in "Semper 2" auf einmal mit ganz anderen Augen schaute. Der Name der Regisseurin, Christine Mielitz, schien doch schon einmal die große Opernwelt zu atmen. Würde die Mielitz Serge Dornys Argumente mit künstlerischen Mitteln kontern können?

Wer die Operettenpremiere »Moskau-Tscherjomuschki« besuchte, musste Dorny zähneknirschend recht geben. Eine peinlichere, kraftlosere, holprigere Vorstellung war kaum denkbar. Die Visitenkarte, die Christine Mielitz hier abgab, um (wie sie im Interview mit Peter Bäumler andeutete) vielleicht irgendwann auf die große Bühne der Semperoper zurückzukehren, war in schreienden Farben auf zu dünnem Papier gedruckt, enthielt zu viele Schriftarten und zu groß gedruckte Buchstaben.

»Moskau-Tscherjomuschki« ist an der Oberfläche eine hausbackene Komödie der endfünfziger Jahre. Die Alltagsprobleme der Moskauer Bevölkerung – Wohnungsnot, Korruption, politische Scharwenzeleien – werden munter abgehandelt, die Protagonisten finden am Ende eine märchenhafte Erlösung. Musikalisch, und das weist der Dirigent Mikhail Agrest im Programmheft minutiös nach, haben wir es mit einer bitterbösen Satire auf die politischen Zustände zu tun. Diesen anspielungsreichen musikalischen Subtext zu dechiffrieren – damit ist das Dresdner Publikum von heute jedoch überfordert. Also gab Christine Mielitz dem Unterhaltungsaffen Zucker, überzeichnet grell die Figuren, streute dumme Witzchen ein ("Sie Putin, äh, Pute!"). Das Ergebnis ist ein dümmliches Desaster. Die Anschlüsse wirken wie mit dem Vorschlaghammer von Hannes Balla zusammengekloppt (der sieben Jahre nach der Uraufführung von »Moskau-Tscherjomuschki« die Weltbühne betreten sollte), die Dialoge taumeln dramaturgisch unentschlossen zwischen liebevoll operettenseligem Genre-Geplänkel und mutlosem Slapstick hin und her, wobei Christine Mielitz die brisanten Passagen, die subtil die Angst vor Vertreibung und die bangen Mutmaßungen ob einer politisch heiklen Entwicklung des Landes thematisieren, ungenutzt liegen lässt.

Die Giuseppe-Sinopoli-Akademie der Staatskapelle spielt die genial reduzierte Orchesterfassung von Gerard McBurney rechtschaffen, ein bisschen bieder, und wird von Agrest in ziemlichem Tempo durchs Stück getrieben. Zeit für leisere Töne, für feine, traumhafte Spinnereien, bleibt kaum. Dem Sinfoniechor Dresden, einstudiert von Christiane Büttig, macht daneben nur einen matten Eindruck. Und die Solisten? Oj weh. Einzelbesprechungen erspare ich mir; aber einen Weltklasse-Eindruck macht an diesem Abend niemand. Stilistische Hilflosigkeit ob des Genre-Chaos dominiert die Szenerie. Soll man »Moskau-Tscherjomuschki« im Jargon der heiteren Operette, als bissige Satire, als Kammeroper oder sowjetisches Knallchargen-Prunkstück lesen? Die Sänger wussten darauf nichts zu antworten.

Als der Rattenchor (noch nicht einmal diese Anspielung gelingt der Regisseurin so recht) am Ende die Uhr, die das Bühnenbild von Christian Rinke dominiert hat, zurückdreht, stöhnt man innerlich auf: bitte nicht.

Weitere Aufführungen: 25., 28. Februar; 2., 4., 6., 28., 30., 31. März; 2. April

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