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Himmlische Überkrönung

Ein Hort geistlicher Musik

Foto Martin Morgenstern

Als die Kapelle im 16. Jahrhundert errichtet wurde, zierte sie ein spätgotisches Schlingrippengewölbe.  Nur selten ist die bauhistorische Rarität einer solchen Gewölbeform noch zu finden; in Sachsen überkrönt sie die St. Annenkirche in Annaberg-Buchholz – und nun auch wieder die Kapelle im Dresdner Residenzschloss. Die Schlosskapelle war im Zuge einer Erweiterung der Residenz unter dem lutherisch gesinnten Kurfürst Moritz für Gottesdienste in der Mitte des 16. Jahrhunderts errichtet worden. Die Kapelle im großen Hof der Residenz wurde zum geistigen Zentralort des Hofes, Amtsort der Hofprediger und auch Zentrum frühbarocker Musikkultur. In seinen späten Jahren war sie die Wirkungsstätte des kurfürstlich-sächsischen Hofkapellmeisters Heinrich Schütz (1585-1672). Eigens für die Postierung der vielköpfigen Vokalchöre erhielt der Kapellenraum auf der Altarseite zwei Emporen.

Verlust

Mit der Konversion August des Starken zum katholischen Glauben 1697 verlor die Schlosskapelle ihre zentrale Bedeutung als Kirche des Hofes und Zentrum der evangelischen Kirchenmusik. Die neu errichtete katholische Hofkirche übernahm diese Funktion. 1737 gänzlich als sakraler Raum aufgegeben, wurde die Schlosskapelle ausgeräumt, der Altar ging an die Sophienkirche, innen wurde Dekor abgeschlagen, Geschosse eingezogen, umgebaut für weltliche Nutzungen.

Die Totalzerstörung des Residenzschlosses 1945 erst ließ zwischen den Stümpfen der Ruinen die Kubatur der früheren Schlosskapelle wieder erkennen. Eine Wiedererrichtung kam erst spät  mit dem Konzept in Erwägung, das Residenzschloss zum Dresdner Museumsareal auf- und auszubauen. Die Rekonstruktion der Schlosskapelle erfolgte dann soweit, dass der Innenrohbau in den ersten zweitausender Jahren als atmosphärisch reizvolle Ersatzspielstätte für das Kleine Haus des Staatsschauspiels dienen konnte.

zeitgenössischer Stich von D. Conrad

Die spektakulär-originäre Rekonstruktion des überdeckenden Gewölbes wurde nach Vorarbeiten vor drei Jahren begonnen. Es gab keine Skizzen, Pläne, Dokumentation, das Handwerkswissen war längst verloren. Lediglich ein zeitgenössischer Kupferstich von 1676 zeigt, wie es einmal aussah. Die geballte Kreativleistung eines Teams von Experten der Architektur und Statik am Computer, Materialforschung im Versuch, Bauerfahrung und besonders Handwerkergeschick an Probeachsen geübt wurde, schafften die Wiederbelebung der mittelalterlichen Handwerkstechnik „mit doppelt gekrümmten, profilierten Rippen aus Sandstein ein Gewölbe zu bauen.“ Das vierhundert Jahre lang schlummernde Geheimnis der ‚Schlingrippengewölbe‘ ist gelüftet.

Das von zwei Reihen Sandsteinsäulen getragene, gegen Widerlager sich stützende Rippengewölbe ist verziert durch Mittelrosetten. Es überspannt freitragend die Hallenfläche von 9 mal 28 Meter. Die Rekonstruktion des Schlingrippengewölbes verschlang 1,8 Millionen Euro; insgesamt sind in den Bau der Schlosskapelle 3,5 Millionen geflossen.

Wieder Musikspielstätte

Foto Peter Bäumler

Die himmlische Schönheit – der Superlativ passt hier – des Gewölbes verlangt nach Fertigstellung und Ausgestaltung des Hallenrohbaues in wenigsten angenäherter Rekonstruktion. Dafür sei kein Geld da, sagte Ministerpräsident Stanislaw Tillich, mit deutlichen „noch“, bei der Feier zur Fertigstellung der Gewölbedecke. In ökumenischer Eintracht gaben die Bischöfe Jochen Bohl (ev.) und Heiner Koch (kath.) ihren Segen, wenn auch die Schlosskapelle nicht mehr sakral genutzt werden wird. Zum einen soll der Saal wieder für Konzerte, vorrangig alter Musik, aber nicht nur, genutzt werden. Dann wollen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) hier Kolloquien, Vorträge, Sonderausstellungen Veranstalten. Dazu geht die die Kapelle ab 1. Januar 2014 in die Verwaltung der Sächsischen Kunstsammlungen über. Alles musikalische Geschehen – die akustisch-kammermusikalische Eignung des Raums überzeugte zum Eröffnungsabend – steuert ein eigenes achtköpfiges Gremium bei, das zu Fragen der Konzerttätigkeit in der Schlosskapelle die SKD berät.*

Alte Evangelische Schlosscapelle – "Schütz-Capelle" Radierung E.Schmidt/Christian Friedrich Grimmer, © SKD

Die Cappella Sagittariana Dresden, die sich der Pflege der Werke des großen Meisters der frühen Barockmusik widmet, erhofft sich Stammrechte dabei aus triftigem Grund, war doch der latinisierte Namen von Heinrich Schütz Henricus Sagittarius.

Und noch eine Hoffnung wurde ausgesprochen: dass der „Historische Zentralraum evangelischer Kirchenmusik“ irgendwann eine Orgel wiederbekommt, als Nachbau des früheren Werkes der Orgelbauer Hassler und Fritsche. Zu DDR-Zeiten bereits bei der Orgelbaufirma Jehmlich in Auftrag gegeben, ruhen entsprechende Pläne im Moment allerdings.

 

* Für die Organisation der künstlerischen Bespielung der Schlosskapelle hat sich ein Beirat gefunden. Seine Mitglieder sind:

Für die Staatlichen Kunstsammlungen nimmt Herr Prof. Dr. Dirk Syndram an den Beiratssitzungen teil.

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