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Seriös, respektvoll, ungewöhnlich

Hans-Christoph Rademann, zuerst nur ein Stichwort: „das Erzgebirge“…

Der "Annaberger Bergaltar" (Auschnitt), dem Maler Hans Hesse zugeschrieben, zeigt das bergmännische Leben vor einem halben Jahrtausend.

Hans-Christoph Rademann (HCR): Ich bin da oben gedanklich und emotional verwurzelt, auch wenn ich mit zehn Jahren nach Dresden gegangen bin. Die Region entwickelt sich gerade ganz stark. Die Ortschaften werden immer schöner. Es lässt sicher nicht mehr lange auf sich warten, dass es einen Boom gibt jenseits des Skitourismus. Mit dem Musikfest Erzgebirge wollen wir die Facette der Hochkultur dem öffentlichen Bewusstsein hinzufügen. Die Quelle dafür ist vorhanden: die Kirchen, die Ortschaften, die Natürlichkeit des Landstrichs… In dieser Form ist das einzigartig. Im gewissen Sinn machen wir eine Imagekampagne für das Erzgebirge.

Oliver Geisler (OG): Es sind die Kantoreien, die das kulturelle Rückgrat der Region bilden. Es gibt Orte, da liegt vieles brach; aber 400 Jahre lang pflegte man den Kantoreigesang…

Herr Rademann, programmatisch wird das Musikfest ein mitteldeutsches Heimspiel: die King’s Singers reisen mit Heinrich Schütz an, Evgeni Koroliov spielt – zum ersten Mal – Johann Adolf Hasse. Aber auch langjährige Begleiter Ihres eigenen künstlerischen Weges haben Sie ins Erzgebirge locken können…

HCR: Man hat ja im Laufe der Jahre einige Leute kennengelernt. Die Sopranistin Annette Dasch zum Beispiel hatte ich am Anfang ihrer Karriere zum NDR-Chor eingeladen; jetzt kommt sie für ein Bach-Konzert nach Zschopau. Aber es gibt auch andere, mir sehr nahe Erinnerungen: Meine erste Reise als Kruzianer führte nach Grünhein. Damals war ich vielleicht zehn… Wir sangen Johann Hermann Scheins Motette »Siehe, nach Trost war mir sehr bange«, und nun führt der Dresdner Kammerchor eben dort Scheins „Israelsbrünnlein“, aus dem die Motette stammt, auf… Da fügen sich für mich Epochen zusammen!

Auch einen kleinen Blick in die Zukunft wird es geben – so mutet jedenfalls das Programm der Veranstaltung „Nachtklang“ an.

Mit der Eisenbahn ins Konzert… (Foto: Jan Sellin)

OG: Am 22. September feiern wir nachmittags das »Erzgebirgische Sängerfest« in Annaberg. Dann fährt das Publikum mit der Erzgebirgischen Aussichtsbahn in die Lokomotivhalle nach Schwarzenberg. Das Besondere an diesem Konzert sind die ungewöhnlichen Herangehensweisen der vier beteiligten Ensembles an die Alte Musik: seriös und respektvoll, aber eben höchst ungewöhnlich; entweder was die Arrangements oder gar eine elektronische Instrumentierung betrifft.

HCR: Das Konzertformat ist eine absolute Neukreation, das ist so nur bei uns zu erleben. Die Redaktion des Deutschlandradios verfiel direkt in eine gewisse Euphorie, als wir das dort vorstellten…

Haben Sie darüber hinaus noch einen Tipp; ein Konzert, das vielleicht ungewöhnliches erwarten lässt?

"Im gewissen Sinne eine Imagekampagne…" Der ‚Picus‘, das Maskottchen des Festivals, wird den Künstlern nach dem Konzert überreicht.

HCR: Unbedingt das Abschlusskonzert am 23. September. Hervé Niquet ist einer der interessantesten Interpreten des Festivals. Er hat in Deutschland noch keinen großen Namen, aber ich verbürge mich für seine Qualität. Niquet ist ein ungewöhnlicher Musiker mit einer außergewöhnlichen Energie. Erst im Juli hat er bei den „BBC Proms“ Händels Feuerwerksmusik mit über 80 Musikern aufgeführt, darunter allein sechzehn Trompeten – eine Granate, ein Riesenerfolg! 

Sie, Herr Rademann, werden Ihre Heimat bald verlassen und nach Stuttgart ziehen. Muss das Musikfest Erzgebirge da nicht ein bisschen zittern?

HCR: Keineswegs. Das Festival geht ganz geordnet in eine gute Zukunft. Das habe ich mit den Stuttgartern ausgehandelt. Wenn Sie sich das schon mal aufschreiben wollen: vom 12. bis 21. September 2014 sind wir wieder da. Im nächsten Jahr übernehmen erst einmal die „Silbermänner“: mit dem Orgelfestival wechselt sich das Musikfest ja alljährlich ab.

Ganz aktuell stellt sich die Frage nach den Einbußen durch die Insolvenz Ihres Ticket-Anbieters. Wie ist der Stand?

OG: Diese Insolvenz stellt im Vorfeld der Eröffnung schon eine Bedrohung für uns dar. 20.000 Euro Karteneinnahmen scheinen für das Musikfest Erzgebirge momentan verloren. Die Konzerte selbst finden aber alle statt und alle Karten behalten ihre Gültigkeit. Das ist für die Musikliebhaber vielleicht erst einmal die wichtigste Nachricht.

Positiv formuliert: jeder zusätzliche Konzertbesucher trägt mit dem Kauf einer Karte neben dem Kunstgenuss aktiv und unmittelbar dazu bei, das aktuelle Festival zu stabilisieren. Zum Musikfest Erzgebirge wird auch ein Freundeskreis ins Leben gerufen. Auch da kann man sich engagieren, um die Gegenwart des Festivals zu sichern und gemeinsam mit uns als Festivalteam die Zukunft mitzugestalten.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Musikfest Erzgebirge
14.-23. September 2012

Karten gibt es im Festivalbüro (Tel. 0351 810 62 98), auf www.reservix.de und an den Abendkassen jeweils 1 Stunde vor Konzertbeginn.

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