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„Ich gehör nur mir“ – Die wahre Geschichte der Sisi

Oftmals sind Tournee-Produktionen nur billige Kopien von großen Original-Shows mit zweitklassigen Darstellern, spartanischem Bühnenbild und Musik aus der Konserve. Doch all diese Vorurteile bestätigen sich keinesfalls bei der aktuellen „Elisabeth“-Tournee anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Produktion. Das Musical von Michael Kunze (Text) und Sylvester Levay (Musik) basiert auf der Geschichte der Kaiserin von Österreich.

Kurz zum Inhalt: Kaiser Franz Joseph soll sich auf den Wunsch seiner Mutter, der Erzherzogin Sophie, mit Helene vermählen. Jedoch lernt er Helenes 16-jährige Cousine Elisabeth kennen, verliebt sich und heiratet sie schließlich. Wenige Zeit nach der Hochzeit wird das Ende des Habsburger Reiches eingeläutet. Franz Josephs Mutter Sophie, die immer noch nicht von Elisabeth als Kaiserin überzeugt ist, unterwirft sie einer Züchtigung des damals strengen spanischen Hofs. Im „goldenen Käfig“ gefangen, kämpft Elisabeth für Freiheit und Unabhängigkeit. Hinzu kommt, dass Elisabeth immer wieder einer zwielichtigen, oftmals in schwarz gekleideten Person begegnet. Auch ihr Sohn Rudolf wird mehrfach vom Tod aufgesucht, welcher ihn schließlich zum Selbstmord drängt. Elisabeth, geplagt von Schuldgefühlen und Vorwürfen, verfällt in Depressionen und wird ebenfalls Opfer des Todes.

Die Produzenten vom Veranstalter Semmel-Concerts wollten anscheinend kein Risiko eingehen und engagierten nahezu das komplette Kreativ-Team der Wiener Uraufführung. An der Inszenierung von Harry Kupfer hat sich nur wenig geändert. Gleiches gilt für die Choreografien von Dennis Callahan. Hans Schavernoch allerdings legte bei seinem Bühnenbild nach und brachte moderne Elemente ins Spiel. Anders als bei den meisten Musical-Tourneen, wo ein Großteil der Kulissen durch einfache Projektionen ersetzt werden, wurde nahezu das vollständige Bühnenbild aus der Wiener Original-Produktion übernommen inklusive einer in zwei Richtungen rotierenden Drehbühne, den fahrenden Tischen im Café und natürlich den vom rechten Portal herausragenden und absenkbaren Todespfeil. Die mit hochfahrbaren Toren ausgestattete neu gestaltete Rückwand zaubert mit Hilfe von aufwändigen Projektionen und Animationen, ebenfalls zum Teil aus Wien übernommen, die Atmosphäre der verschiedenen Spielorte. So wirkt beispielsweise die Riesenradfahrt des frisch verlobten Paares auf dem Wiener Prater mit Hilfe der technischen Mittel der Zeit viel spektakulärer und realistischer, als es noch bei der Uraufführung der Fall war. Durch den Verzicht auf Hubpodien finden nun alle Auftritte auf der Drehbühne statt. Die einzige schwerwiegende Erneuerung sind die von Tan Tax gestalteten Kostüme, die um einiges schlichter als gewohnt ausfallen. So verzichtet er in den meisten Szenen auf Schleier, Rüschen sowie auf liebevolle Verzierungen und Bestickungen.

Einen großen Abstrich muss man allerdings am Premieren-Abend in Dresden machen: durch das auf und ab bewegen der rechteckigen Tore gab es immer wieder ein pfeifendes Geräusch, was über die Lautsprecher verbreitet wurde. Die Verantwortlichen bemerkten das Störsignal, unterbrachen die Vorstellung im ersten Akt „aufgrund technischer Probleme“, aber konnten den Fehler nicht beheben, so dass die Zuschauer auch für den Rest der Vorstellung mit diesen Störgeräuschen leben mussten.

Die 29-jährige Annemieke van Dam, ein bekanntes Gesicht unter den eingefleischten „Elisabeth“-Fans, ist nicht die erste Holländerin, die in der Rolle der Elisabeth glänzt. Stimmlich muss sie sich auf keinen Fall im Schatten der Ur-Elisabeth Pia Douwes verstecken. Vielmehr macht sie ihr Konkurrenz. Mit viel Gefühl, klarer Stimme und Aussprache meistert sie die gesanglichen Anforderungen mit Bravur. Allerdings verzichtete sie am Premieren-Abend auf das mit Spannung erwartete hohe cis im Schlusston von „Ich gehör nur mir“. Schauspielerisch überzeugt sie vor allem als junge, naive Sissi. Schwerer hingegen fällt es ihr, die in die Jahre gekommene und gebrechliche Kaiserin Elisabeth zu verkörpern.

Kurosch Abbasi, der gerade sein Studium beendet hat, ist ein sehr junger, aber sehr überzeugender Luigi Lucceni. Er brilliert sowohl in solistischen Nummern, wie „Kitsch“ oder „Spieglein, Spieglein“, aber vor allem auch in großen Ensemblenummern, wie „Milch“. Schauspielerisch zwar gut, aber stimmlich gerade noch befriedigend präsentiert sich Betty Vermeulen als Erzherzogin Sophie. Das Duett „Eine Kaiserin muss glänzen“ wird stimmlich eindeutig dominiert von Gräfin Esterházy, verkörpert durch Ann Christin Elverum, die im Übrigen auch Cover von Sophie ist.
Guido Gottenbos, der vertretungsweise für Mathias Edenborn als Kaiser Franz Joseph eingesprungen ist, meistert die Rolle problemlos und sicher. Die größte Überraschung des Abends ist eindeutig Mark Seibert als Tod. Mit seinem überzeugendem Spiel und seiner erotischen Ausstrahlung gelingt es ihm nicht nur Elisabeth für sich zu gewinnen, sondern auch das Publikum zu faszinieren. Mit seiner Rock-Tenor-Stimme gibt er der Rolle völlige Überzeugungskraft und eine mitreißende Ausstrahlung. Auch an gefühlvollen, zarten Stellen beweist er sein stimmliches Können.

Fotos: PR

Trotz gelungener Premiere, einer überwältigenden Show mit toller Musik und grandiosen Darstellern erhoben sich (völlig musical-untypisch) nur wenige der Dresdner Zuschauer für Standing Ovations von ihren Plätzen. Auch der Applaus des durchschnittlich sehr alten Publikums war eher zurückhaltend und Jubelschreie blieben fast gänzlich aus. Den Darstellern bleibt zu wünschen, dass die Besucher der noch folgenden Shows ihre Leistung dankbarer honorieren, denn das Musical „Elisabeth“ hält was es verspricht: eine rührende und mitreißende Geschichte zu sein.

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