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Bild und Ton – und ein Anruf vom Chef

Dieses Konzert soll Stein des Anstoßes gewesen sein? Deswegen maeströse Verschnupftheit mit juristischem Nachspiel? Ach, es lebe die Operette! Hätte nur wer drauf kommen müssen. Im Fernsehen sagen sie Seife dazu, natürlich auf englisch. 

Ein Anruf des Chefs, und "La Netrebko" schwebt ein (Foto: M. Creutziger)

Das Silvesterkonzert der Sächsischen Staatskapelle dürfte die ohnehin schon stattliche Zahl der „Antrittskonzerte“ von Chefdirigent Christian Thielemann um ein weiteres erhöht haben. Inzwischen lässt sich zwar sagen, der Berliner Maestro, momentan noch bei den Münchner Philharmonikern unter Vertrag, übernimmt im kommenden Jahr diese Position. Doch das Warten darauf wird ganz gewiss nicht langweilig. Was spätestens seit Bruckners Achter klar ist, wurde nun in einer völlig neuen Klangfarbe kräftig untersetzt.

Mit der Entscheidung des ZDF, die Silvesterkonzerte nach 33 Jahren nicht mehr mit den Berliner Philharmonikern, sondern mit der 462jährigen Staatskapelle in Dresden auszurichten, gingen auch Entscheidungen für die aus der Werbung bekannte Kulisse sowie für große Namen einher. In den nächsten beiden Jahren wird Thielemann das jeweils letzte Klassik-Häppchen des Zweiten servieren. Ob auch künftig zeitgleich im Ersten die Konkurrenz aufgefahren wird oder tatsächlich eine (Achtung, schönstes Wort 2010!) „Etappisierung“ machbar ist, hängt von der Flexibilität der beiden öffentlich-rechtlichen Gebührenkassierer ab. Am Geld wird es sicherlich nicht liegen, das scheint ja vorhanden.

La Netrebko im Vorkonzert

Denn es ist schon längst nicht mehr so, dass zu Silvester ein spektakuläres Konzert, das sowieso stattfindet, zusätzlich vom Fernsehen mitgeschnitten und ausgestrahlt wird. Die Schwerpunkte sind in ihr Gegenteil verkehrt, die Macher aus Mainz inszenieren und der Semperbau einschließlich aller darin mitwirkenden Künstler sowie des kompletten Publikums dient als Staffage. In den Foyers entstehen vorab Aufzeichnungen mit dem Ballett, als Netz mit doppeltem Boden gibt es das Silvesterkonzert schon einmal am 30. (!) Dezember, was einer öffentlichen Generalprobe gleichkommt. Wäre da nicht der Schnee von New York! Der hat nämlich die rechtzeitige Ankunft von Stargast Renée Fleming verhindert. Thielemanns gute Kontakte und kürzere Wege nach Wien brachten es mit sich, dass Anna Netrebko und Erwin Schrott im Vorkonzert mitgewirkt haben. Natürlich mit Sparprogramm (wegen des Wiener Neujahrskonzerts) und peinlichen Duplikaten.

Die Live-Sendung am Freitag wurde dann damit verschnitten, startete zehn Minuten eher und stand, spürbar im Konzertsaal, unter kräftigem Zeitdruck. An derlei Diktat durch Medienpräsenz wird man sich gewöhnen müssen. Die wirft selbst die Programmabfolge über den Haufen, weil sie sich nur zu gern mit Prominenz schmückt.

Franz Lehár wie Paul Lincke

Das brave Publikum, die professionelle Kapelle sowie der toughe Pultstar ließen sich davon nicht beirren. Zu groß war die Vorfreude auf einen Querschnitt durch Franz Lehárs „Lustige Witwe“ mit den Dresden-Debütanten Renée Fleming als Hanna Glawari und Christopher Maltman als Graf Danilo. Die Posse um den Bankrott des Zwergstaats von Pontevedro, den nur die Millionen der attraktiven Witwe Glawari abwenden können, zündet seit ihrer Uraufführung vor 105 Jahren. „Maxim“, Vilja-Lied, „Königskinder“, Grisetten-Chanson, „Lippen schweigen“ und „Das Studium der Weiber“ sind nur einige der weltbekannten Hits. Bei Thielemann, der alle Kapellmeister-Qualitäten auffuhr, klangen die schmissigen Parts teils mehr nach Paul Lincke, was gewiss an der Nähe zu Berlin liegen mag, die geografisch den stärkeren Pol als Wien zu setzen vermochte. Doch erstens gewann er damit Orchester wie Hörerschaft und zweitens legte gerade diese zupackende Art die Feinheiten der Partitur frei. Kein Vergleich zur „Witwe“ im Repertoire! Sondern ein Sezieren, um an Schönheit und Raffinesse herauszuschürfen, was dem Komponisten heilig war. Ernsthaftigkeit und Konzentration im Musizieren, Spielfreude und sogar Wagnis fügten sich – einschließlich des eingeschobenen Walzers „Gold und Silber“ – zu einer Perlenkette klingender Kostbarkeiten.

Daran hatte der fabelhaft präparierte Chor ebenso Anteil wie die Damen und Herren des Ensembles; vor allem aber dem Gast-Paar Fleming und Maltman flogen die Herzen zu. Dass die Textverständlichkeit mitunter auf der Strecke blieb und die geplanten Zugaben ein wenig hastig aufgereiht wurden, um Sendezeit zu schinden – geschenkt. Kaum schien Pontevedro gerettet, wurden Bernsteins „I Feel Pretty“ und Lehárs „Dein ist mein ganzes Herz“ aufgetischt. Ganz zum Schluss perlte „An der Elbe“ mit dem letzten Walzer von Johann Strauß dann aber doch noch Donauwasser durch die Reihen.

Erst die Nachrichten befreiten von aller unterwürfigen Hektik – vielleicht lag hier der eigentliche Stein des Anstoßes begraben!

Zum 7. Januar hat die Deutsche Grammophon eine CD und zum 14. Januar die DVD des Silvesterkonzertes angekündigt

 

Eine Textfassung des Artikels ist am 3. Januar in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.

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