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Ulrike! Oder: Die denk- und merkwürdigen Wege des Glücks

In der Semperoper wird im Herbst ein neues Kapitel aufgeschlagen. Erstmals leitet mit Dr. Ulrike Hessler eine Frau die Geschicke des Opernhauses. Bei der gestrigen Pressekonferenz gärte es unter den anwesenden Journalisten, wehte der Intendantin und ihrem Programm Vorschuss-Kritik entgegen. Eine Premiere der Tschaikowski-Oper "Iolantha" in konzertanter Aufführung? "Füüürchterlich", zischelte es hinter mir. Und so viel Barockoper, an diesem Haus, mit diesem Ensemble? Und dann die "neuen": streitbare, junge Regisseure und Regisseurinnen, allesamt haben sie die Semperoper noch nie von innen gesehen. Geht das gut – in Dresden?

Viele gute Ideen, mithin "kein radikaler Neuanfang, sonder Weiterentwicklung" unter der neuen Intendantin Hessler (Foto: M. Creutziger)

Beirren lässt sich Ulrike Hessler nicht, noch nicht. „Jünger, emotionaler, lebendiger und dresdnerischer“ will sich die Oper unter Ihrer Führung präsentieren. Bei diesem selbst gesteckten Rahmen wollen wir mal etwas genauer hinschauen.

Jünger. Die Semperoper beherbergt ab Herbst eine neue, vierte Sparte: neben Oper, Ballett und Konzert ist zukünftig auch die „Semperoper Junge Szene“ präsent. Für ein junges Publikum wird eine Probebühne mit 200 Plätzen zur neuen Spielstätte. So macht die neue Intendantin die lange vernachlässigte Nachwuchsarbeit zum Chefthema – ohne allerdings von der großen Bühne zu viel zahlendes Publikum abzuziehen. Fazit: die „Semperoper Junge Szene“ ist ein guter Marketingtrick – und ein Schritt in die richtige Richtung. Sollte sich hier allerdings eine Subkultur herausbilden, die mit den steifen Ritualen im goldenen Semperbau dennoch nichts anfangen kann, wäre für die Zukunft nicht viel gewonnen.

Emotionaler. Emotionen – ein weites Feld. Klar, das Publikum der Semperoper ist sicherlich manchmal ein wenig behäbiger, konservativer, auch abgeklärter als anderswo. Vornehm spaziert man in der Pause durchs Foyer, demnächst übrigens sogar mit Snacks vom Sternekoch. Noch in der grässlichsten Aufführung würde hier niemandem einfallen, was ich letztes Jahr in der Oper Leipzig erlebte: mein Sitznachbar, dem die Inszenierung des „Fliegenden Holländers“ nicht gefiel, brüllte während des Zweiten Aktes wütend auf, zerriss sein Programmheft in kleine Schnipsel und warf die Fetzen Richtung Orchestergraben. Fazit: Für Emotionen sorgt das neue Programm in jedem Fall – in positivem oder negativem Sinne, also zum Beispiel durch den streitbaren neuen Hausregisseur Stefan Herheim.

Lebendiger. Es ist ja nun nicht so, dass die Semperoper in den letzten Jahren ein Totenhaus gewesen wäre. Fantastische Inszenierungen wie „Penthesilea“ oder „Cardillac“ sorgten für Trubel und heiße Diskussionen. Geht’s nach Frau Hessler, kann da offenbar noch eine Kohle draufgelegt werden: mit provokanten Regisseuren und Regisseurinnen etwa. Oder einem neuen Layout. Das Logo erinnert die einen an einen Klingelknopf oder ein Bieretikett (wie passend, für das „schönste Brauhaus der Welt“), die anderen an eine weibliche Brust (auch passend, bei der angekündigten „weiblichen Lesart“ des Spielplans). Nur die Semperoper erkennt in der eingefärbten Silhouette leider niemand mehr. Fazit: Das alteingesessene Publikum wird sich warm anziehen müssen. Interessierte, ästhetisch kampfesmutige Besucher werden bei Dr. Hessler leckeres Diskussionsfutter finden. Und spätestens, wenn die Besucherzahlen immer weiter zurückgehen und die Wut steigt, ist wieder mal ein Richtungswechsel angesagt.

Die bunten Plätze sind für Dresdner reserviert, die sich für Wochenend- oder Ballettabos interessieren (Grafik: Semperoper)

Dresdnerischer. Eine Studie zeigte die Probleme des Hauses: die Semperoper ist eine Touristenoper. Ortsansässige haben es längst aufgegeben, für bestimmte Veranstaltungen noch nach Karten anzustehen. Hier will die Intendantin gegensteuern, mit mehr „Dresden-Tagen“ (Spezialpreise für Dresdner für weniger attraktive Veranstaltungen) und speziellen Kontingenten, die ab Juli jeden ersten Samstag im Monat für den Folgemonat ausgegeben werden. Auch die Kartenpreise konnten bis auf eine Ausnahme stabil gehalten werden. Fazit: Die lange fällige Rückbesinnung auf das heimische Publikum kommt langsam in Gang. Kratzt man aber ein bisschen an der Oberfläche, sieht man den langen Weg, der hier zurückzulegen ist. An den Wochenenden und gerade bei Ballettveranstaltungen ist die Oper unverändert in Touristenhand. Gerade einmal anderthalb Parkett-Reihen (!) sind hier für Abonnenten vorgesehen.

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