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Dona nobis pacem – Das Gedenkkonzert der Staatskapelle

"Dona nobis pacem" – Das Gedenkkonzert anlässlich der Zerstörung Dresdens (Fotos: M. Creutziger)

Der 65. Jahrestag der Zerstörung Dresdens bot dem stillen, nach innen gekehrten Gedenken wenig Raum. Zu aufgeladen ist das Datum inzwischen. So riegelte eine Menschenkette die Altstadt ab, während auf der anderen Seite des Flusses sich weitere Tausende dem Marsch von Neonazis friedlich entgegenstellten. Wohl gelang es, deren Demonstration zu verhindern – aber nur um den Preis, die Stadt in eine Festung zu verwandeln. Straßensperren, Barrikaden, Kontrollen, Wasserwerfer, brennende Tonnen: in was für eine Gedenkkultur haben wir Dresdner uns da bloß hineinmanövriert?

Und doch gab es sie, Orte des stillen Gedenkens. Das MEMENTO-Konzert des Stahlquartetts von Jan Heinke im Societätstheater. Oder die Aufführung des Dvorak-Requiems op. 89 im Kulturpalast unter Jirí Kout ("Mich suchend hast du dich ermüdet niedergesetzt, hast mich erlöst, den Kreuzestod erleidend", heißt es dort). Und: nach sieben Jahren leitete Christian Thielemann erneut das Gedenkkonzert der Staatskapelle. War es damals das Brahms-Requiem, so erklang nun Beethovens »Missa Solemnis«. Mit Spannung erwartet man dieser Tage jeden Auftritt des "Kapellmeisters" (als solcher empfindet sich Thielemann in bester Tradition), befinden wir uns doch sozusagen in den musikalischen Flitterwochen der Kapelle, die – gerade erst geschieden von Fabio Luisi und noch mitten im unerfreulichen Rosenkrieg – sich für jedes date mit dem "Neuen" blendend vorbereitet.

Wunderbar austariert präsentierte sich das Orchester, gab den vier Sängern Raum; der Opernchor war konzentriert und rhythmisch gut geputzt dabei, auch die Holzbläser sangen schön wie selten. Die hohen Erwartungen konnten mithin musikalisch als erfüllt gelten. Indes irritierten die Kameras vor, auf und hinter der Bühne, die Schwenks und die nicht immer lautlosen Platzwechsel der Kameramänner, und behinderten ein wirkliches Einlassen auf die Musik. Wer genau hinhörte und -sah, merkte, mit welcher Anspannung, mit welcher Konzentration die Staatskapelle dieses Konzert über sich brachte; deutliches Kopfnicken des Konzertmeisters, um noch den letzten Einsatz zu koordinieren; auch Thielemann dirigierte buchstäblicher als sonst, zeigte jede Verzögerung, jeden Taktwechsel übergenau an. Wohl schöpften die Musiker die Klangpalette vom schallenden Forte bis ins ersterbende Piano aus; aber interpretatorisch "fuhr man auf Sicht", mit halbangezogener Handbremse. Ist das der Preis, den wir für hochkarätige Fernseh- und Radioübertragungen nun öfter zu zahlen haben? Immerhin hat der Dirigent mehrfach angekündigt, während seiner Amtszeit werde jedes Konzert aufgezeichnet und dann auf DVD, Bluray, vielleicht gar im Internet verfügbar sein.

Leises "Bravo" vom Chef: Konzertmeister Matthias Wollong wuchs im Solo über sich hinaus

Es müssen zuletzt zwei Ausnahmen genannt werden, die den geschilderten Eindruck relativierten und das Gedenkkonzert dann doch zum Gänsehauterlebnis machten. Zum einen die Sopranistin Krassimira Stoyanova, die neben der sehr ernsten Elīna Garanča sich hin und wieder agogische Freiheiten nahm und der Musik so die Herzenswärme zurückgab, die man in anderen, fast schon akademisch klingenden Passagen vermissen mochte. Und zum zweiten: das Violinsolo Matthias Wollongs war von wirklich überirdischer Schönheit. Ohne auch nur eine einzige Note sentimental klingen zu lassen, legte der Konzertmeister die einfachen Läufe und Melodien so zurecht, dass man begriff: hier geht es, ja, um Dresden, aber auch um viel mehr. Das "Möge es zu Herzen gehen", das Beethoven als Motto über seine Missa schrieb, gelang an diesem Abend erst durch Wollong. Das leise "Bravo" des zukünftigen Chefs wird ihn ebenso gefreut haben wie die Geste des Pultnachbars: ganz kurz legte Jörg Faßmann dem Kollegen nach dessen Solo die Hand auf die Schulter. Dann, erst dann, ließen sich die Kameras vergessen, floß die Musik wie von allein weiter.

Das ehrliche, ergriffene Schweigen der Zuhörer dauerte diesmal länger als sonst. Nicht nur Michail Gorbatschow und Hans-Dietrich Genscher werden den Abend als einzigartig in Erinnerung behalten.

(Teaserfoto und Skizze: M. Morgenstern)

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