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Paul Fleming neu vertont – Fünf Uraufführungen an der Sächsischen Akademie der Künste

Sehr erfreulich ist zu beobachten, dass sich die Sächsische Akademie der Künste mit ihrer illustren Runde von Künstlern und Wissenschaftlern nicht nur dem internen Diskurs hingibt, sondern immer wieder auch Projekte initiiert, die trotz oder gerade wegen eines hohen inhaltlichen Anspruches in die Öffentlichkeit drängen.

So fanden im letzten Jahr einige Veranstaltungen zu Ehren des 400. Geburtstages des sächsischen Barockdichters Paul Fleming (1609-1640) statt. Ein Abend mit verschiedenen Uraufführungen auf Texte des Dichters bildete nun den Abschluss. Doch in der Versenkung wird Fleming gewiss nicht verschwinden, viel zu berühmt und faszinierend sind seine Schöpfungen, die nicht nur zeitgenössische Komponisten immer wieder zur Vertonung anregen. Gut besucht war der Konzertabend im Blockhaus mit insgesamt fünf Uraufführungen, die in Auftrag gegeben wurden.

Das Ensemble AUDITIVVOKAL Dresden hat sich die Interpretation neuester Vokalkompositionen auf die Fahnen geschrieben und trat hier in der Kleinstbesetzung mit zwei Stimmen an, dennoch war die Kombination mit Instrumenten facettenreich. Leider war die Sopranistin Anna Palimina indisponiert und Carsten Hennigs Uraufführung muss daher bis zur Wiederholung des Konzertes (am 28. Januar im Mendelssohnhaus Leipzig) warten. Sie sang jedoch dennoch eine Bach-Vertonung von Paul Fleming und beteiligte sich an der Aufführung des Werkes von Friedrich Goldmann. Der im vergangenen Sommer verstorbene Komponist schuf eine reizvolle Annäherung an Fleming mittels zweier grundverschiedener Duette. Das berühmte Gedicht "An sich" erklang als hoffnungsvoll-melodische Gabe, während die insistierenden Holzblöcke in den "Gedancken über die Zeit" immer wieder die Wort-Ebene unterliefen, oft sogar bestimmten.

Schön, dass man "An sich" in zwei verschiedenen Vertonungen betrachten konnte: Steffen Schleiermachers Sicht auf dieses Gedicht führte zu einem verbissenen Selbstgespräch, das der Bariton Sebastian Mattschoß mit intensivem Nachvollzug zeichnete. Gut und Böse lag hier nah beieinander und eine Peitsche markierte samt wenigen vokalen Ausbrüchen eine eher ausweglose Situation, da mochte Flemings mehrfach zitiertes "dennoch" wenig helfen. Die Kompositionen von Schleiermacher und Goldmann, Eckpunkte des Programmes, wirkten am aussagekräftigsten, während sich andere Komponisten mit den Texten eher schwer taten.

Das allein wäre noch kein Kritikpunkt, denn wie Thomas Rosenlöcher in der anschließenden Diskussion richtig bemerkte, wirkt "das Fremde nah", wenn es einen offenen Raum erschließt. Mit der Flucht ins Klavierlied ist dies Günter Neubert und Siegfried Thiele wohl am wenigsten gelungen, denn auf tradiertem, besetzten Boden läßt sich auch mit Fleming keine neue Pflanze züchten. Neubert bekannte sich in den sieben Liedern "Auff die Liebste" zum syllabischen Strophenlied – mehr als eine kaum akzentuierte Lesung in Tönen sprang dabei nicht heraus. Siegfried Thiele legte Flemings "Widerstreit" konsequent dramatisch an. Andreas Hecker (Klavier) blieb in beiden Werken zu sehr im Hintergrund und hätte mehr akzentuieren und gestalten können. In Thieles Stück wie auch in Friedrich Schenkers "Neujahrsode" (mit dem Komponisten an der Posaune) zeigte Sebastian Mattschoß eine kraftvolle und kompetente Interpretation. Während Schenker die Singstimme wie einen Ausrufer behandelte, schien in der Posaunenstimme die gleichzeitige Interpretation versteckt, die sehr viel persönlicher formuliert war.

Die Quintessenz dieses Konzertes war vor allem die gute Erkenntnis, dass es viele verschiedene Wege der Annährung an den Dichter gibt. Manchmal legt die Musik sogar etwas frei, was jenseits der Beschreibbarkeit und der Zeiten liegt. Genau dann wird das Fremde nah und was sich hinter barocker Fassade verbirgt, sind vermutlich viel größere und wichtigere Anliegen.

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