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Sächsische Staatskapelle musiziert künftig mit Chefdirigent

Öffentlichkeitsarbeit von Kunstinstitutionen ist manchmal nur schwer durchschaubar: Im Festspielhaus Bayreuth herrscht Winterruhe, während gleichzeitig der aktuelle „Ring“ komplett auf CD erscheint. Ein Ereignis! Schließlich liegt angesichts der eher nichtssagenden Regie und vor allem aufgrund des Jahr um Jahr für seinen „Ring“ gefeierten Dirigenten Christian Thielemann damit die Quintessenz derzeitiger Wagner-Interpretation vor. Ist die Edition dieser 14 Scheiben nicht spektakulär?

Doch es kommt noch besser: Derselbe Christian Thielemann unterzeichnete diese Woche in der Semperoper seinen Vertrag als künftiger Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Auf Wunsch des federführenden Ministeriums für Wissenschaft und Kunst geschah dies hinter verschlossenen Türen. Gut denkbar, dass Irritationen befürchtet wurden und dieser Akt inmitten der Amtszeit von Generalmusikdirektor Fabio Luisi, der ab 2012 nach Zürich wechselt, zu keinem Spektakel geraten sollte.

Zukünftiges sächsisches Traumpaar: Staatsministerin von Schorlemer, Thielemann (Fotos: M. Creutziger)

Dennoch ist damit amtlich, dass Dresden ab der Spielzeit 2012/13 für vorerst sieben Jahre einen der international am meisten gefeierten Wagner-Interpreten bekommt. Also rechtzeitig zum 200. Geburtstag des Leipziger Dichter-Komponisten. Wer den 50-jährigen Thielemann aber auf Wagner und ein vergleichsweise schmales spätromantisches Repertoire festlegt, greift ähnlich zu kurz wie die Rechnung „konservatives Orchester erhält konservativen Dirigenten“ noch einige spannende und gewiss höchst erfreuliche Variablen enthält. Fakt ist, das, was Thielemann anpackt, meistert er ausnahmslos gut bis exorbitant. Und längst umfasst das künstlerische Spektrum des einst jüngsten deutschen Generalmusikdirektors neben Wagner und Strauss auch Schönberg und Henze, sowieso Mozart, Beethoven, Brahms, Bruckner. Freilich auch Pfitzner. Ja, warum nicht auch Pfitzner?!

Nach blamablen Streitigkeiten um Kompetenzen in München, wo der Ur-Berliner diesen Sommer seinen seit 2004 laufenden Vertrag als GMD der Münchner Philharmoniker über 2011 nicht verlängerte, bleibt ihm nun genug Zeit, seine Aktivitäten in Dresden gründlich vorzubereiten. Dass er hier Chefdirigent und nicht GMD sein wird, entbindet den auch als Pianist, Geiger und Bratscher geschulten Musiker von allerlei unschöner Bürotätigkeit. Umso mehr Raum gehört der Kunst. In jeder Saison mindestens 45 Konzert- und Operndirigate, davon auf jeden Fall vier Programme in zwölf Dresdner Sinfoniekonzerten sowie drei Sonder- und obendrein 18 Tourneekonzerte. Die als Minimum festgelegten zwölf Opernaufführungen pro Spielzeit wecken schon jetzt Neugier auf Thielemanns Wunschbesetzungen. Selbstredend auch auf deren Finanzierbarkeit.

Wie aus der Zusammenarbeit von Sächsischer Staatskapelle und Christian Thielemann unbezahlbare Sternstunden erwachsen können, bewies sich zuletzt im September beim überaus gefeierten Konzert mit Bruckners 8. Sinfonie. Eine längst geplante Wiederkehr an die Elbe steht für die Gedenkkonzerte am 13. und 14. Februar bevor, in denen Thielemann Beethovens „Missa Solemnis“ dirigiert. Dass er inzwischen auch als Wunschdirigent für das von 2010 an aus Dresden übertragene Silvesterkonzert des ZDF bestätigt ist, mögen Fabio Luisi – doch ebenso die seit 1977 dafür gebuchten Berliner Philharmoniker und Simon Rattle! – als Affront begreifen.

Sollten am Mittwoch bloß diesbezügliche Nachfragen befürchtet worden sein? CD-Neuerscheinungen ebenso wie Vertragsunterzeichnungen sind normale Vorgänge, gewiss. Herausragende Dinge verdienen aber durchaus etwas mehr Öffentlichkeit. Gemunkelt wird sowieso.

 

Eine Textfassung des Artikels ist am 17.12. in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.

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