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Lebendig, schrill und schräg – Impressionen von der ostrale 09

Den Veranstaltern der ostrale ist es gelungen, vieles zu vereinen, was eine gegenwärtige lebendige Kunstszene ausmacht: Konzerte, Filme, performances in allen möglichen Erscheinungsformen, Theater, Grafik, Fotografie, Installationen, Improvisationen, Video-Klang-Collagen, Raumskulpturen und vieles mehr. Damit entwickelt sich diese ostrale, die zum 3. Male stattfindet, zu einer „Messe“ zeitgenössischer Kunstformen und steht dem Bemühen, Dresden in dieser Hinsicht nicht ganz abhängen zu lassen, wohl an. Der Charme der leicht ruinösen Räume kommt der Experimentierfreude vieler Interpreten entgegen. So ist den Veranstaltern um Andrea Hilger für dieses ebenso aufwändige wie vielseitige Konzept zu danken, dessen Umsetzung lebendiger ist als manches andere in dieser Stadt, was sich auch zeitgenössisch nennt.

Wer also an der roten Bar des Sozialtrakts sein Bier holte, der war umgeben von lauter Klängen, die aus allen Räumen herausdrangen: aus einem Raum „VA1“ ertönten elektronische Klänge des Nebel-Leben in Marcel Leemanns Physical Dance Theater, nur durch einen Zwischentrakt abgesetzt erscholl aus einem weiteren Raum, dem „lauftheater“, Der Warst von Simon Schäfer, eine audio-visuelle-Performance, und im dritten Raum, offenbar früher ein Speiseraum, wo sich Köche und Gäste ungeniert übers Essen unterhielten, erzählte uns Martin Sommer die Geschichte von Lessing und seinem Kätzchen: Stilleben Herr mit Kätzchen des Schweizer Autors Gerhard Meister. Und noch einen vierten kleinen Raum neben einer umfunktionierten Toilette habe ich entdeckt, in dem in einer Video-Endlosschleife eine alternde Ballerina sich unter zarter Musik die Tanzschuhe anzieht – vier Mal Klänge, nur leicht durch die versetzten Türen abgedeckt, sich aber zu einem höchst amüsanten Gemisch vereinigend. Puristen möge das verschrecken, aber Gleichzeitigkeit und gegenseitiges Durchdringen der Ereignisse gehört zum Konzept dieser ostrale, und man kann sich diesen Prozessen unvoreingenommen aussetzen.

Foto: PR

Simon Schäfer hantierte in einem ansonsten leeren Raum an mehreren kleinen Synthesizern und entlockte ihnen dröhnende Klänge von körperdurchdringender Suggestivität. Dazu lief eine Video-Installation: Strukturen von eindrücklicher Farbigkeit in stets wechselnden Konfigurationen. Der „Warst“, eine klobige schwarze Fantasiefigur, geisterte durch das Bild und liess nur seine Augenschlitze leuchten. Die sich leicht verändernden, pulsierenden Klangbänder bildeten eine selbständige Ebene zu den Bildern.

Gerhard Meister ließ uns an den Sorgen und Nöten eines alternden Dichters teilhaben, den die Bücherflut, die ihn umgibt, mehr schreckt als erfreut. Und er erinnerte sich an eine Anekdote zu Lessing, dessen Kätzchen mit Durchfall eine seiner „Nathan“-Manuskriptseiten bekleckert hatte, was ihn nötigte, die Seite nochmals zu schreiben. Beziehungsreich hat Tanja Mette, die das Stück in ihrem eigens für das Stück gegründeten off-Theater erarbeitet hat, Songtitel ausgewählt wie „Fütter die Katze“ oder „Lovecat“ von Cure. Martin Sommer schreibt alle seine wichtigen Einfälle mit Kreide an die Wände und lässt sich von den atmosphärischen Rocktiteln wie „I  don’t feel like dancin’“ oder „Team“ von Bon Iver zu einer virtuosen Katze-Maus-Jagd inspirieren.

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