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Im Opernzug

"Da sah man in der zweiten Mittagsstunde Damen in großen Abendtoiletten auf den Bahnsteig eilen, erblickte Herren, die die blütenweiße Blöße ihres Frackausschnitts nur mit Mühe durch den Kragenschoner bedeckten, und beschaute mit Erstaunen inmitten des hartrealistischen Eisenbahnbetriebs eine Schar jener transzendental frisierten Jünglinge und Jungfrauen, die sonst nur in gedämpftem künstlichen Licht der Berliner Konzertsäle in größeren Massen aufzutauchen pflegen…"

Am 26. Januar 1911 betrat der „Rosenkavalier“ in Regie von Georg Toller und unter der musikalischen Leitung von Ernst von Schuch erstmals öffentlich die Bretter, die die Welt bedeuten. Die "Komödie mit Musik", wie Richard Strauss seine Schöpfung charakterisierte, war von ihrer Uraufführung an ein Erfolg und wurde zum Publikumsrenner. 

Klicken Sie die Grafik an, um den Originalbericht des "Berliner Anzeigers" aus dem Jahr 1911 zu lesen… (Foto und Repro: Archiv Sächsische Staatsoper Dresden)

In die Stadt zu den Dresdnern gehen: das ist heute die Strategie der Oper, und so sollten auch die 100 Jahre Rosenkavalier nicht nur mit einer Jubiläumsvorstellung im Haus begangen werden. Bei der Suche nach einem besonderen Schmäckerchen der Werkgeschichte stieß die Dramaturgin der Oper, Nora Schmid, auf den Rosenkavalier-Zug im Uraufführungsjahr. Jeweils einige Hundert Strauss-Begeisterte Berliner hatte der zu Vorstellungen nach Dresden gebracht.

"Ich fand es schon einmalig,", sagt Schmid im Gespräch, "dass Dresden einstmals so zentral im Musikgeschehen war, dass die Menschen von überall hierher gereist sind – was in mir den Wunsch weckte, dass es wieder dazu käme." So lag die Idee einer Rosenkavalier-Sonderfahrt nah. Es folgte ein Vierteljahr Vorbereitung und Organisation, unterstützt durch die Dresdner Verkehrsbetriebe. Die Strecke – möglichst lang für eine etwa zweistündige Fahrt – war bald gefunden mit der ‚Linie 4‘ zwischen Radebeul und Laubegast. Besonderes Aperçu: Ernst von Schuch, Dirigent der Rosenkavaliers-Uraufführung, wohnte in Radebeul und fuhr in "sein" Opernhaus täglich mit dem Zug – was diesem im Volksmund den Namen ‚Schuch-Zug‘ eintrug.

Vervielfältig ausgelegt und über die Bahnbildschirme flimmernd, illustrierten Texte, Programmheftchen und weiteres Material 100 Jahre Rezeptionsgeschichte des Rosenkavaliers. Insgesamt hatten etwa 110 Teilnehmer Freude an dem vergnüglichen Ausflug durch die etwas grau verhangene Stadt (hier der Bericht).

Und zukünftig, Nora Schmid? "Ich fantasiere da mal: ein „Fliegender Holländer“ auf einem Elbeschiff vielleicht?"