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Zukunft ist keine Kunst – ohne Kunst keine Zukunft?

Noch nicht lang her, da erklangen im Lichthof des Albertinums die Konzerte der Dresdner Philharmonie. In jüngerer Zeit wird das Ambiente gern zu abendlichen Diskussionsforen genutzt, so auch am Donnerstag beim Auftakt einer Gesprächsreihe über Perspektiven für Kunst und Medien. Eingeladen hatte Monika Grütters, seit 2013 die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.  Anlässlich der Gründung dieses Amtes vor 20 Jahren will die CDU-Politikerin durch möglichst alle Bundesländer touren. Dass Sachsen als erste Etappe gewählt worden ist, war womöglich kein Zufall.

Denn es ging – und geht – um die Freiheit der Kunst. Die sei in Deutschland zwar recht stabil (was man vom europäischen Umfeld nicht unbedingt sagen kann), dürfe aber auch hier nicht in die Zwänge von Markt und Politik geraten, so Grütters. Denn der Wert von Kunst dürfe nicht von teils astronomischen Preisen, schon gar nicht vom Hype um einzelne Kunstwerke abhängig gemacht werden. Politik und Gesellschaft wiederum sollten ästhetische Zumutungen aushalten können, künstlerische Angebote dürften sie nicht dem Druck etwa der rechten Szene beugen.

Monika Grütters: „Wir wissen, warum die Freiheit der Kunst bei uns einen derart noblen Verfassungsrang im Artikel 5 unseres Grundgesetzes hat. Die Kunst ist frei, heißt es dort. Die Verpflichtung des Staates besteht, diese Freiheit auch sicherzustellen. Zum Beispiel durch eine gründliche Finanzierung. Aber ich finde es auch wichtig, dass wir uns über Gefährdungen permanent auseinandersetzen, die sehr wohl auch aus einem bestimmten politischen Spektrum kommt und die natürlich auch ein bisschen aus der Angst der Künstler selber herauskommt, vielleicht nicht mehr alles so deutlich und so ungeniert sagen zu können, wie das bisher üblich war. Allein sich durch mögliche rabiate Umtriebe aus dem rechten Spektrum sich davon abhalten zu lassen, ein Konzert stattfinden zu lassen, was in Dessau anlässlich zum Bauhaus-Jubiläum geplant war, das kann in Deutschland nicht sein. Das ist ein fatales Signal, dass wir uns so beeindrucken lassen von möglichen rechten Umtrieben, das geht nicht. Und ich möchte die Künstler und die Einrichtungen ermutigen, nach wie vor tapfer und selbstbewusst auch kritische Positionen zu beziehen.“

Nach dem mit deutlichen Worten gespickten Statement der Politikerin – einem Plädoyer für die Freiheit der Kunst – wurde aus dem ZUKUNST-Abend eine sehr einvernehmliche Gesprächsrunde mit Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen, sowie dem Schauspieler und Musiker Christian Friedel und dem Fotokünstler Wolfgang Tillmans. Dies war gewiss ein Manko des Abends, dass bei dieser Besetzung kaum Widerspruch zu erwarten gewesen ist. Wer wollte auch widersprechen, als Grütters die Autonomie der Kunst einforderte und Friedrich Schiller mit den Worten zitierte, Kunst sei die Tochter der Freiheit?

Dennoch wurden aktuelle Gefährdungen angesprochen. Marion Ackermann sah einen Stillstand der Kunst und verwies auf andere, nicht minder gefährliche Mechanismen als die direkte Zensur; sie forderte, die Gesellschaft zu sensibilisieren, um Kunst nicht in ihrer Kraft zu beschneiden. Das gehe schon bei der Finanzierung los, wenn zu viel betriebswirtschaftliche Kontrolle zu bewältigen sei, könne sich die Kunst keine Risiken mehr leisten – „was doch das Eigentliche der Kunst ist“. Kunst bedeute Verantwortung! Marion Ackermann betonte, dass sie auch immer politisch sei. Christian Friedel verwies auf veränderte Arbeitsbedingungen an den Bühnen und beim Film, wo Zahlen oft wichtiger sind als Inhalte, weil es um Zeit und Geld gehe. Deutschland sei aber das klassische Land der Dichter und Denker, „das müssen wir uns bewahren“, forderte er.

Der seit langem in Deutschland und Großbritannien lebende  Fotokünstler Wolfgang Tillmans machte darauf aufmerksam, dass die weltberühmte Tate Gallery von einst  100 Prozent staatlicher Finanzierung heute nur noch 30 Prozent erhalte, was den möglichen Einfluss privater Geldgeber erhöhe. Was, wenn nur noch Wunschmusik ertönt? Oder wenn Maler und Fotografen, Museen und Galeristen menschliche Körper nur noch so darstellen dürfen, wie es dem Geschmack der Sponsoren entspricht? Als möglicherweise schon baldiges Brexit-Opfer sprach Tillmans von einer Re-Nationalisierung auch in der Kunst, die durchaus gefährlich werden könne. Nicht zuletzt wies er darauf hin, dass „wir alle Zensur in den Netzwerken mitmachen“, da die ja aus Angst vor der Werbeindustrie auch in Inhalte eingreifen. Bevor diese Einnahmen wegbrechen, geht es eher an die Freiheit der Kunst.

Warum sich Ex-Innenminister Thomas de Maiziére an der etwas zähen Publikumsdiskussion mit dem Hinweis beteiligte, dass gute Kunst ja oft auch unter finanziellem und politischem Druck entstanden sei, blieb sein Geheimnis. Zwar gibt es gewiss viele Beispiele dafür, doch zur Voraussetzung von Kunst sollten derartige Zwänge wohl besser nicht (wieder) werden. So kam dann das vielleicht schönste Statement als Schlusswort ebenfalls von Wolfgang Tillmans, der meinte, Kunst an sich sei „nutzlos“, stärke aber den Menschen und gebe Kraft, wie sie nur Kunst geben kann.