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„Irgendwann wusste ich, es ist meine Berufung“

Tina Tandler, was hat Sie dazu verleitet, Saxofon zu spielen?

Ich war etwa 14, knapp 15, als ich mit dem Saxofonspielen begann. Zu dieser Zeit hatte ich bereits 8 Jahre Akkordeonunterricht an der Musikschule durchlaufen, auf zahlreichen Wettbewerben gespielt und eine Aufnahmeprüfung als Akkordeonistin an der Musikhochschule in Weimar bestanden. Plötzlich hieß es, ich könnte noch ein Zweitinstrument wählen. Das Saxofon hat mich gereizt, weil ich seinen Klang so liebe. Aber eigentlich hatte ich damals andere Zukunftspläne. Ich wollte immer was mit Kindern machen, Lehrerin oder Kindergärtnerin werden.

Foto: P. Konrad

Mit 16 Jahren habe ich dann angefangen, regelmäßig Saxofon in einer Band zu spielen. Das hat mir großen Spaß gemacht. Wir waren 12 Mädchen im Alter zwischen 14 und 20 Jahren. Das Saxofon in Verbindung mit Rock und Popmusik hat meinen ganzen Ehrgeiz herausgefordert. Ich wollte irgendwann Songs spielen wie »Baker Street« von Gerry Rafferty oder »Logical« von Supertramp. Die Aktivitäten mit der Band gaben mir dann Entscheidungshilfe zum richtigen Zeitpunkt, denn als es die Möglichkeit gab, als Saxofonistin noch mal für ein Vorstudienjahr an der Musikhochschule vorzuspielen, hab ich richtig Gas gegeben und meine Chance ergriffen. Ich hatte es nicht erwartet, aber sie haben mich genommen.
Nach diesem Jahr bin ich direkt ins Studium gewechselt und habe nach 5 Jahren meinen Hochschulabschluss gemacht.

Als Saxofonistin sind Sie derzeit sehr erfolgreich. Gab es Zeiten, in denen Sie sich nicht sicher waren, ob sie als freischaffende Künstlerin Fuß fassen können?

Klar gab es auch Zeiten, wo ich gezweifelt habe und alles hinwerfen wollte. Letztlich bin ich aber immer dran geblieben, hab an mir gearbeitet und mir Projekte gesucht, bei denen ich mich einbringen konnte, die mir Spaß gemacht haben und wo ich mit dem Herzen dabei war. Und ein bisschen Glück gehört natürlich auch dazu. Irgendwann wusste ich, es ist meine Berufung.

Was waren die Schwierigkeiten, mit denen Sie konfrontiert wurden, als sie in der DDR ihren Weg als freischaffende Musikerin antraten? Hatten Sie die Möglichkeit, durch Konzertreisen mehr zu erleben und zu sehen als Menschen in Ihrem Umfeld?

Die wenigen Jahre, die ich in der DDR als Musikerin erlebt habe, bin ich nicht in den Westen gekommen. Da ich sehr jung war, als ich als Freischaffende zu arbeiten begann, waren meine Schwierigkeiten vor allem materieller Natur. Es war schwer, gute Instrumente zu bekommen, Mikrophone, Stative, Technik, die man in einer Band brauchte. Musik, die mich, die uns interessierte, wie z.B. Rock und Jazz aus Amerika, gab es offiziell kaum. Wenn jemand eine Aufnahme hatte, haben wir das auf Tonband überspielt und dann von einer Kassette auf die nächste. Noten haben wir mit der Hand abgeschrieben.

Was würden Sie als bedeutende Meilensteine in Ihrer Karriere bezeichnen?

Beim »Inselleuchten« Festival habe ich 2005 zum ersten Mal eigene Stücke im Konzert gespielt, die ich zusammen mit meinem Pianisten Christoph Reuter geschrieben hatte. Das war ein magisches Erlebnis. Wenn Du plötzlich spürst, wie deine eigene Musik bei den Menschen ankommt, wie sie sie berührt und Begeisterung  auslöst, da hätte ich vor Freude platzen können. Und als ich beim »Classic Open Air Gendarmenmarkt« in Berlin 2007 als Solistin vor dem riesigen Orchester der Chemnitzer Philharmonie stand und für über 5000 Menschen ein klassisches Saxofonkonzert von Darius Milhaud spielte, da hatte ich wirklich das Gefühl, all die Mühe, der Schweiß und die Tränen haben sich gelohnt. Die Orchesterarbeit hat mich im weitesten Sinne dann im Mai 2017 in Dresden auch wieder eingeholt. Hier gab Roland Kaiser mit den Dresdner Philharmonikern das Konzert »Grenzenlos: Kaiser im Palast« zur Neueröffnung des Kulturpalastes nach dem Umbau. Roland fand, dass das „Kaiser – Saxofon“ in dieser Produktion nicht fehlen darf und hat mich dazu eingeladen. Da war ich ganz froh, dass ich wusste, wie es ist, mit einem klassischen Orchester auf der Bühne zu stehen.

Wann kommt der Punkt, an dem ein professioneller Musiker seine Karriere beenden sollte?

Oh, die Frage ist lustig. Keine Ahnung?! Das sage ich Ihnen, wenn es soweit ist, denn darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Klaus Doldinger, der mir in den letzten Jahren immer mal wieder begegnet ist, beweist ja z.B. das man auch im vorgeschrittenen Alter noch gute Musik machen kann.

Wohin führt Sie Ihr Weg in der nächsten Zeit? Was sind Projekte, auf die Sie sich besonders freuen?

Jetzt im November spielen wir mit meiner Band zum ersten Mal bei den Jazztagen in Dresden. Das erste Konzert war sehr schnell ausverkauft und so haben wir mit dem Veranstalter ein zweites vereinbart, was ebenso schnell verkauft war. Wir werden viele Stücke von meiner neuen CD »Saxophon verliebt« spielen, darauf freue ich mich riesig.
Ab Mitte November begleite ich Roland dann wieder auf seiner Arenatour bis März 2019.  Am 27. April werde ich dann mit meiner Band wieder ein Lichtfest – Konzert im Französischen Dom in Berlin spielen und am 2. Weihnachtsfeiertag bin ich, wie jedes Jahr, mit meinem Weltenklang Quartett in Berlins ältester Kirche, der St. Marienkirche unter dem Fernsehturm zu hören. Es ist schon etwas Besonderes, an solch einem Tag und in so einem Haus die Zuhörer mit unserer Musik berühren zu dürfen.

Vielen Dank für das Interview!