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Sächsischer Klang

Dinge gibt’s, die gibt’s gar nicht: Man stelle sich vor, auf einer Orchesterprobe nimmt der Hornist all seinen Mut zusammen und sagt, der Dirigent ist ja doof. Oder im Sinfoniekonzert drischt die Schlagzeuggruppe nach dem Schlussakkord noch eins drauf. Dumm wäre allerdings auch, wenn die Oboistin vor Konzertbeginn kein a anstimmt, sondern beispielsweise ein cis. Nun sind künstlerische Veranstaltungen zwar schon vom Grundsatz her keine Lehrbeispiele in Sachen Demokratie, denn eine(r) muss da schließlich die Hosen an und das Sagen haben. Dieses Diktat – es sollte frei von Willkür sein! – setzt sich fort durch sämtliche Stimmgruppen. Oder halten Sie es für denkbar, dass etwa die 2. Trompete dem Solotrompeter in die Parade fährt? Dass an einem der Streicherpulte gar gegen den Strich gebürstet würde?

Eben! Und wer jetzt meint, das der Konzert- und Probenalltag die letzten Bastionen undemokratischer Urzeiten wären, sollte sich mal in der Wirtschaft umschauen, der freien Marktwirtschaft zum Beispiel. Käme dort eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter auf die Idee, etwa dem Rüstungsproduzenten Daimler Benz die Flotte mit dem Stern madig zu machen oder dem Volks-Wagnis Abgas-Manipulation zum Zwecke der Umsatzsteigerung zu Lasten von Verdummung und Vergiftung der gesamten Gesellschaft vorzuwerfen – aber hallo! Der Mensch wäre schneller auf der Straße als die Lobbyisten Notfallpläne mit Verschrottungsprämien aus den Schubladen holen könnten.

Womit wir ausnahmsweise bei der Politik wären, die hat in diesen Tagen ja wahrlich keinen schönen Ruf. Und wenn es dann noch zu unschönen Zwischenfällen mit öffentlich-rechtlichem Fernsehfunk kommt, muss der sächsische Oberindianer rasch auf Stimmenfang gehen und seinen uni(n)formierten Helfershelfern attestieren, dass sie die einzigen seien, die „seriös“ handelten. Sie verteidigen schließlich den Rechtsstaat.

Was dem Dirigenten, siehe oben, die korrekte Partitur ist und der Wirtschaft die „modifizierte Software-Einstellung“, das sind ihm „Flagge, Hymne und Stolz“. Letztlich alles Fragen der Einstellung, nicht? Dummerweise hat hier – ausgerechnet vor den Toren des Landtags! – ein hymnisch Stolzer mit dem Farben der Flagge ein Kuckucksei gelegt. Ins Rollen gebracht hat die sächsische Schandtat nämlich nicht irgendein Montagsmauler, sondern ein Mitarbeiter des sächsischen Landeskriminalamtes. Soll die steuerteure Kampagne „Verdächtig gute Jobs“ also doch nicht nur eine Mogelpackung, sondern heftigste Selbstironie gewesen sein?! Die Relativierung folgt auf dem Fuße: Der Mann sei nicht im Dienst gewesen, habe Urlaub gehabt. Klar, das war bei seiner drolligen Kostümierung ja nicht zu übersehen.

Wo also könnte es noch einen Hort der Demokratie geben? Wenn urlaubende Orchestermitglieder sich in Konzerte von zumindest scheinbar rivalisierenden Klangkörpern schleichen und dort die Trillerpfeife anstimmen? Das gibt’s nun aber wirklich (noch) nicht.