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Da tanzen ja die Hühner!

Onfřej Vinklát, Alina Nanu und Mitglieder des Balletts (Foto: Martin Divíšek)

Da lachen ja die Hühner! In Prag lacht das Publikum, denn die Hühner tanzen, allen voran Jonáš Dolník als stolzer Gockel. So beginnt nach einfühlsamem Orchestervorspiel im Prager Nationaltheater das Ballett »La Fille Mal Gardée«, auch bekannt als »Die schlecht behütete Tochter oder vergebliche Vorsicht«, eines der ältesten Handlungsballette überhaupt, in erster Fassung zu Arrangements französischer Volksmusik 1789 in Bordeaux uraufgeführt. Die nächste Fassung zur Musik von Luis-Joseph-Ferdinand Herold, 1828 in Paris uraufgeführt, hat sich durchgesetzt, vor allem in der Choreografie von Frederick Ashton von 1960 für das Royal Ballet in London. John Lanchbery arrangierte und adaptierte die Musik, John Dauberval schuf eine augenzwinkernd romantisierende Szenerie, die Kostüme sind von Osbert Lancaster, schrill für das Federvieh, idealisierend für den Sonntagsstaat der Landjugend, skurril und aufgedonnert für Mutter Simone, die auch noch von einem Mann getanzt wird. Das macht in Prag Alexandre Katsapov natürlich zu einer Paraderolle, Er, bzw. sie, kann dennoch Tochter Lise am Ende nicht davor bewahren, den gutaussehenden, jungen Bauernburschen Colas zu heiraten. Mutter Simone hatte andere Pläne. Alain ist ihr Auserwählter für die Tochter und dessen Vater Thomas, ein reicher Winzer, klimpert schon mal mit den in Aussicht gestellten Goldmünzen.

Aya Watanabe, Marta Drastíková, Alexandre Katsapov, Alexandra Pera, Michaela Wenzelová (Foto: Pavel Hejný)

Dieser Alain wird in Prag von Veaceslav Burlac mit dem naiven Zauber eines liebenswerten Eigenbrötlers getanzt. Ganz typisch für seinen britischen Humor hat Ashton für diese Rolle dann aber doch recht kniffelige Abläufe geschaffen für diesen jungen Mann, der scheinbar auch nicht ganz von dieser Welt ist und am Ende ganz erlöst mit seinem über alles geliebten roten Regenschirm durch die Lüfte davon fliegt. Ashtons Humor scheut vor tänzerischer Drastik nicht zurück: Mutter Simone lässt er schon mal in massiven Holzschuhen tanzen; ihre jungen Begleiterinnen, ebenfalls mit Holz an den Füßen, vollführen damit Spitzentanzkunst der besonderen Eleganz. Auch wenn es kräftig klappert: hölzern ist hier gar nichts.

Natürlich ist von Beginn an klar, dass die Liebenden zusammenkommen werden, aller Vorsichtsmaßnahmen der polternden Mutter zum Trotz. Noch dazu, weil sie kurz vor dem Finale die widerspenstige Tochter in ihre Schlafkammer verbannt, in die sich nun ausgerechnet der Geliebte schon geflüchtet hatte. Wenn sie herauskommen, ist alles vollzogen: die Liebe triumphiert, es wird gefeiert, und das Prager Publikum feiert mit und jubelt seinen Tänzerinnen und Tänzern zu, besonders natürlich Alina Nanu als Lise und Ondřej Vinklát, denen man ihr Glück von Herzen gönnt. Die beiden sind es auch, die immer wieder, gerade in den Pas de deux´s mit höchst anspruchsvollen Variationen für tänzerische Höhepunkte sorgen. Sei es Vinkláts heitere und frische Eleganz, die auch bei höchst anspruchsvollen Sprungvariationen nicht auf der Strecke bleibt, oder sei es die liebliche Zartheit, gepaart mit tänzerischer Willenskraft, bei Alina Nanu als Lise. Besonders anrührend ist eine ihrer Adagio-Passagen, wenn die Musik auf die sehnsuchtsvolle Melodik aus Rossinis »Il barbiere di Siviglia« mit dem Zitat der Arie Rosinas, »Una voce poco fa« anspielt.

Ondřej Vinklát, Alina Nanu (Foto: Martin Divíšek)

Natürlich birgt Ashtons Stil größte Herausforderungen. Es ist aber erstaunlich, wie die Prager Solistinnen und Solisten im Wechsel mit dem Corps de Ballet, auch in den großen, folkloristisch grundierten Bildern, etwa eines Erntetanzes, hier bestehen können. Da ist diese typische, flinke Beinarbeit angesagt, besonders wenn der fußgewandte Tänzer Francesco Scarpato so flotte wie fröhliche Flötentöne vorgibt.

Mit Beginn dieser Saison hat der einstige erste Solist beim Stuttgarter Ballett, Filip Barankiewcz die Direktion beim Prager Nationalballett übernommen. Er hatte die Rolle des Colas in Ashtons Fassung selbst oft getanzt und konnte so aus erster Hand wichtige Erfahrungen weitergeben. Für die Einstudierung konnte er Jane Elliott aus London verpflichten. Gewinn auf ganzer Linie. Zum Ende seiner ersten Saison kündigt Barankiewcz einen gänzlich zeitgenössischen Abend an und für die nächste Saison u.a. Tschaikowskys „Schwanensee“, erstmals dann an der Moldau in John Crankos Fassung, die bisher nur in Stuttgart zu erleben war.

Nächste Aufführungen: 17., 19. Mai; 30. Juni; 2. Juli