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Denkmal- kontra Gesinnungsschutz?

IMG_0050Es mögen platte Sprüche sein, aber sie sind deutlich, ehrlich und mitunter auch mutig. Sie werden mit Gesicht gezeigt. Sie sind keine hohlen Slogans, die aus einer dunklen Masse (in meist mulmiger Mundart) herausgeschleudert werden. Sie sind wohlüberlegt und sollten zum Nachdenken anregen. „Nicht der Mütze wegen ist dir ein Kopf gegeben.“ Auch nicht nur für den Friseur. Worte wie Aufklärung und Mitdenken scheinen in diesen Tagen irgendwie antiquiert zu sein, dabei sind sie zeitgemäßer denn je. Der menschliche Kopf hat sich die Fähigkeit erworben, wahrzunehmen und über Wahrgenommenes zu reflektieren. Nachdenklichkeit ist keine Form des Stillstands; sie kann sehr motivierend, kann höchst bewegend sein. Auch dafür wurde im vergangenen Herbst der sechs mal drei Meter große Monitor in der Exedra der Semperoper installiert.

Seitdem gibt es dort mutige Meinungen und ehrliche Gesichter. Für Touristen und Einheimische ein Indiz, dass Dresden (ausgerechnet dieser Hort geistigen Stillstands will als „Stadt der Bewegung“ in die Annalen eingehen!) auch Intelligenz, Wachheit und Widerstand zu bieten hat. Für Pegidianer, Pegidanisten und Pegidianistiker sowie für andere „Spaziergänger“ ein Stachel im nationalistisch patriotischen Fleische. Möglicherweise aber auch ein Anreiz zum Nachdenken, um sinnloserweise aufgerissene Gräben zu verfüllen, auf dass man besser drüberhinwegschreiten kann?

Mitnichten. Vorerst prüft das Sächsische Landesamt für Denkmalschutz, was die Stadt Dresden gegen diesen denkmalschützerisch nicht genehmigten Monitor unternimmt. „Dabei geht es nur um rein denkmalschutzrechtliche Belange, nicht um das, was auf dem Bildschirm gezeigt wird.“ Wer jetzt an „Mephisto“ Gründgens/Höfgen („Ich bin doch nur ein Künstler!“) denkt, liegt gewiss nicht ganz falsch. Ästheten hingegen mögen sich nun an Huhn und Ei reiben, an Inhalt und Form. Was war zuerst da, der Denkmalschutz oder das Leben?

Ich bin doch nur Künstler? Nur Konsument? Nur Krieger? Nein, ich bin Mensch und Teil der Gesellschaft. Will ich ernstgenommen werden, auch als Individuum? Dann sollte ich ernsthaft mitdenken und mitmischen wollen. Idealerweise nicht gegen-, sondern miteinander. Der Kopf ist tatsächlich nicht nur für die Mütze da. Auch nicht nur für den Friseur. Und unsere Wege sind nicht nur Gräben, sondern vor allem auch Brücken und Grenzübertretungen. Verbindende Wege.

In diesem Sinne, bis nächsten Freitag –
Michael Ernst