Scroll Top

Freitag, kein 13.

operohnegrenzenDie unschuldige Stadt, die ist keine schuldlose Stadt. Ist sie nie gewesen. Und war auch nie so einzigartig, wie es manche ihrer Bewohner gerne empfinden. Dresden, wenngleich Kunst- und Kulturstadt, war immer auch ein Ort der Unkultur. Die Militärbauten im Norden – „königlich“ nach dem Kriegsherren Albert benannt – legten und legen trauriges Zeugnis davon ab. „In Friedenszeiten überfallen“? – weit gefehlt!

Damit soll und darf den Opfern und Überlebenden nicht das Recht des Gedenkens abgesprochen werden. Für Missbrauch dieser Gedenkkultur ist aber auch heute kein Platz. Heute weniger denn je. Die traditionellen Gedenkkonzerte von Dresdner Philharmonie und Sächsischer Staatskapelle widmen sich in diesem Jahr in Kreuzkirche und Semperoper den besonderen Werten der Musik. Die baue auf die Fähigkeit zur Erinnerung, heißt es in der philharmonischen Ankündigung. „… genau so kann Musik zum Medium des Gedenkens werden, in der Liturgie wie im Konzert.“ Chefdirigent Michael Sanderling wird morgen Abend neben dem Violinkonzert von Benjamin Britten, entstanden just am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, die Rhapsodie Nr. 3 für Orgel solo von Herbert Howell sowie das „Dona nobis pacem“ von Peteris Vasks erklingen lassen. Das Vaterland des lettischen Komponisten wird währenddessen von Nato-Militärs überrollt. „In Friedenszeiten“? Die Pentagon-Pläne sollten zu denken geben, das widerspruchslos deutsche Mitläufertum nicht minder.

In der Semperoper tönt zeitgleich Ludwig van Beethovens „Missa solemnis“ – „Möge es wieder / Zu Herzen gehen!“ – in der Interpretation der Staatskapelle unter Leitung von Christian Thielemann. Er dirigiert schon heute – im Wechsel mit Asher Fisch und Sebastian Weigle – das gewiss denkwürdige, von den Mitgliedern der deutschsprachigen Opernkonferenz angeregte Konzert „Oper ohne Grenzen“. Es solle „für eine offene Kultur“ stehen. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir alle für eine Kultur stehen, für eine Kultur der Gemeinsamkeit, der Offenheit, der Vernunft.
Vielleicht? Nein, ganz bestimmt! Dass mit dem Säbelrasseln vermittels Drohnen, Panzern, Raketen und Kriegsschiffen nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren ist, sollte die Menschheit doch endlich begriffen haben. Sofern sie sich nicht weiterhin schuldig machen will – am eigenen Untergang.

Bis nächsten Freitag –
Michael Ernst