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Ein Kabinettstück!

Ein einziges Kabinett, ein einziger Bühnenraum, schlicht, aber von großem ästhetischen Reiz, trägt das Bühnenbild der Aufführung von Verdis »Don Carlo« in der italienischen Fassung von 1884. Mit verschiedenen Projektionen wird hin und wieder das Bild des Umfelds (Garten, Park, Himmel, Flammen der inquisitorischen Verbrennung der Ketzer) präsent. (Christian Salvatore Malchow, Stephanie Krone; Foto: Hagen König)
Ein einziges Kabinett, ein einziger Bühnenraum, schlicht, aber von großem ästhetischen Reiz, trägt das Bühnenbild der Aufführung von Verdis »Don Carlo« in der italienischen Fassung von 1884. Mit verschiedenen Projektionen wird hin und wieder das Bild des Umfelds (Garten, Park, Himmel, Flammen der inquisitorischen Verbrennung der Ketzer) präsent. (Christian Salvatore Malchow, Stephanie Krone; Foto: Hagen König)

Als Verdi 1865 von der Pariser Oper nach dem Erfolg der französischen Fassung seines Macbeth angesprochen wurde, eine neue Oper fürs Haus zu schreiben, wurde er angeregt, sich Schillers Don Karlos anzunehmen. 1867 kam diese von der „grand opera“ in der französischen Tradition von Auber bis Meyerbeer beeinflusste Werk in Paris heraus. Aber bei Verdi entstand eine eigene Form, die erstmals seine seit Rigoletto, Traviata, Macbeth und Macht des Schicksals angestrebte Idee eines „musikalisch-szenischen Dramas“ gelungen zeigt. Diese neue Gestaltungsart brachte dem Komponisten den Vorwurf ein, er wolle Wagners Musikdrama imitieren. Bei aller italienischen Eigenheit trifft das insofern zu, als hier dramatische Szenerie durchkomponiert wurde, Arien als tief greifende psychologische Szenen hervortraten, zwar keine Leitmotive Wagnerscher Prägung die Struktur trugen, aber Leitmelodien, die immer wieder in bestimmten inhaltlichen Zusammenhängen aufgegriffen werden. Der Dirigent Jan Michael Horstmann hat genau diese neue Gestaltungsart kongenial aufgenommen und so ein packendes Opernerlebnis geschaffen, das zu unterstreichen vermochte, was das Inszenierungsteam mit Michael Heinicke, Stefan Wiel (Ausstattung) und Daniel Rentzsch (Projektionen) vorgab.

Klar wird die Handlung um Don Carlos, König Philipp II. und Königin Elisabeth sowie die Intrigantin und Königsmätresse Prinzessin Eboli im Privaten entwickelt und in Beziehung gesetzt zur europäischen Politik um das von Spanien unterdrückte Flandern. Dafür steht Marquis Posa, der Freund Don Carlos’, der ihn für diesen Freiheitskampf zu begeistern sucht. Dagegen steht die Macht der Kirche mit der Inquisition. Diese Konflikte im kleinen und großen erscheinen in aller Klarheit auf der Bühne. Das aber konnte nur packend deutlich werden durch die musikalische Gestaltung der Sänger, der tragenden Funktion des Orchesters der Elbland Philharmonie Sachsen und des verstärkten Chors, der sich ausdrucksstark wie selten präsentierte. Selten hört man die musikalische Struktur in so klarer und überzeugender Durchsichtigkeit. Und die Sänger trugen nicht minder durch ihre verinnerlichte Darstellung von faszinierender Intensität sowie ihren packenden Ausdruck zur nachhaltigen Wirkung der Aufführung bei. Hagen Erkrath gab König Philipp Profil als von persönlichen Problemen belasteter und von der Kirche gefesselter Herrscher. Stephanie Krone vermochte als Königin Elisabeth mit stimmlicher Variabilität und menschlichen Ausdruckskraft so zu überzeugen, das auch ihre Konkurrentin und Mätresse des Königs, die Prinzessin Eboli, mit Wiebke Damboldt als Darstellerin, von der Großherzigkeit der Königin gerührt wird. Don Carlos, der Infant, also der Thronfolger des Königs, erhielt mit dem Tenor von Christian Salvatore Malchow jene stimmliche Prägnanz, die dieser Rolle entspricht, aber auch jene Ausdrucksfähigkeit, die seiner verbotenen Liebe zu der einst versprochenen Braut Elisabeth zukommt. Aus politischer Vernunft muss sie den spanischen König ehelichen, Don Carlos verlassen. Sein Freund, der Marquis Posa, (bestens besetzt mit Paul Gukhoe Song und am Ende mit wachsender Begeisterung gefeiert) vermag ihn für die Sache des Freiheitskampfes in Flandern zu gewinnen. Die Konflikte steigern sich durch die beherrschende Macht der Kirche mit dem Großinquisitor, der mit Michael König eine hintergründig dämonische Darstellung erfuhr.

Friedbert Streller

Wieder am 22., 24. Januar.