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Feste feiern

Foto: Matthias Creutziger
Foto: Matthias Creutziger

Wie oft sie wohl noch ihren Namen ändern wird? Seit dem Abgang der Fürstenhäuser 1918/19 avancierte die einstige Hofkapelle zur Staatskapelle. Zuvor war sie Kurfürstlich-Sächsische und Königlich-Polnische Kapelle. Später hieß sie auch mal Dresdner Staatskapelle. Und heute firmiert sie unter dem Namen Sächsische Staatskapelle Dresden, sowohl in der Stadt an der Elbe als auch bei Tourneen und Gastspielen überall auf der Welt. Inzwischen besinnt sich der Klangkörper lautstark auf sein Gründungsdatum vom 22. September 1548, als eine „Cantorei Ordnung“ erlassen wurde (in Torgau!), derzufolge man sich gut und gern als eines der ältesten durchgehend existenten Orchester weltweit bezeichnen darf. So viel Tradition will natürlich gebührend befeiert werden. Fast ist es ein Wunder, dass nicht schon eher jemand drauf kam.

Mit dem mal als Schloss- und mal als Heinrich-Schütz-Kapelle bezeichneten Spielort ist eine beziehungsreiche Spielstätte gefunden worden, wo künftig an jedem 22. September musikalisch gefeiert werden soll. Den Auftakt zum 467. Geburtstag 2015 gab es mit einem durchaus kunterbunten Programm vor bestens gefüllten Reihen unterm akustisch wie architektonisch eindrucksvollen Schlingrippengewölbe, das immer wieder den Blick auf sich zog. Kein Wunder, denn die Wände sehen nach wie vor billig aus: Kulturloser Waschbeton, nachwendig gleichgeschaltete Pseudorekonstruktion des Sächsischen Immobilien- und Baumanagements (einem „Staatsbetrieb“!).

Macht aber nichts, denn ganz vorn spielt die Musik. Von der viele im Publikum nur wenig sehen, weil alle auf gleicher Ebene sitzen und schon ab der vierten, fünften Reihe nur mehr die melierten Reihen davor erblicken können.

Auch egal, denn bei diesem Geburtstagskonzert geht’s ja ums Hören. Aufgetischt wurde da zunächst einmal Hasse. Johann Adolph Hasse, Hofkapellmeister von 1733 bis 1763, ein braver Biedermann mit ausgeprägtem Sinn für die Oper. Als Komponist war er durchaus vielseitig. Mehr jedenfalls, als es die hier aufgeführte Sinfonia zur Oper „Cleofide“ in ihrem melodiearmen Tonsatz vermuten ließ. Unter der Leitung von Alessandro De Marchi wurde das alles zwar sauber intoniert, hinterließ aber nicht den Hauch eines mitnehmbaren Ohrwürmelns.

Schon gar nicht die Chance dazu bot György Kurtágs späte Uraufführung „… a Százévesnek …“, eine vor bereits zwölf (!) Jahren entstandene Hommage zum hundertsten Geburtstag an den österreichischen Komponisten Jenö Takács (der wie der diesjährige Capell-Compositeur Kurtág magyarischen Ursprungs ist). Ein Kurzstück an Musikkonstrukt, das ebenso wie die folgende Deutsche Erstaufführung der „Sinfonia breve per archi“ zum besseren Bewerten eines Nachhörens bedürfte (was derzeit hier möglich ist).

Erst mit Antonio Vivaldi, von dem die Concerti g-Moll RV 577 und F-Dur RV 568 erklangen, erhob sich die eindrucksvolle Spielfreude der kleinen Kapellbesetzung zu mitreißenden Weihen. Konzertmeister Matthias Wollong, aber auch seinen Kollegen aus anderen Instrumentalgruppen, sind ergreifende Soli gelungen. De Marchi erwies sich als Großmeister der Historie, insbesondere beim ersten dieser Orchesterstücke, dem vermutlich zwischen 1720 und 1730 entstandenen g-Moll-Concerto mit seiner verpflichtenden Widmung „Per l’Orchestra di Dresda“, sind die virtuosen Verbindungen von Schöpfer und Interpretenensemble nachhaltig zu spüren gewesen. Originale Italianitá ist eben doch etwas anderes als die nur nachempfundene Freude am (venezianischen) Süden.

Mit dem Divertimento für 13 Soloinstrumente op. 30 von Adolf Busch wurde dieses Geburtstagskonzert schon wieder beendet. Es brachte immerhin einen deutlichen Bezug ins Gegenwärtige, denn der komponierende Geiger war eben auch der Bruder von Fritz Busch, jenem im März 1933 von Nazi-Horden aus seinem Amt gedrängten Generalmusikdirektor der Staatskapelle. Dieses Schlussstück des allzu kurzen Sonderkonzerts war dramaturgisch sehr klug gewählt, denn nicht nur die Bruderschaft verband den Komponisten mit Dresden, sondern auch mehrere solistische Auftritte. Das farbenreich nuancierte Divertimento nun forderte die Orchestermusiker zu inspirierter Spielweise heraus, der sie durch die Reihen gerecht wurden.