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Und sie dreht sich noch!

Wie das schon klingt: Polyvinylchlorid! Und das soll musikalisch sein? Das ist musikalisch, wenn daraus keine werbedrecksdoofen Einkaufstüten, sondern tönende Schallplatten hergestellt werden. 1948 trat diese Scheibe mit den zwei Seiten und je einer Rille ihren weltweiten Siegeszug an, der jedoch nicht mal ein halbes Jahrhundert währen sollte. Denn schon in den 80er Jahren kam die Compact Disc auf den immer globaler werdenden Markt. Inzwischen wird selbst die digitale CD-Welt von virtuellen Tonträgern aus dem Internet be- und verdrängt.
Was macht da die alte Tante Schallplatte? Sie dreht sich und dreht sich und dreht sich. In den vergangenen Jahren dreht sie, was ihren Absatz und die dafür verantwortlichen Liebhaber betrifft, sogar wieder auf. Allein im vorigen Jahr sind angeblich schon wieder so viele Platten verkauft worden wie seit 1992 nicht mehr.

Dabei war vom einstigen Streit zwischen Langspielplatte – kurz: Vinyl – und CD schon lang nichts mehr zu hören. Anfangs noch ganz erbittert ausgetragen – Frequenzen im Obertonbereich mitsamt knisterndem Klangbild der LP versus kühler Sterilität und eingeschränkten Spektren der Silberlinge, die dafür aber längere Laufzeiten bieten –, flaute der Dissens mehr und mehr ab. Die Verfechter des einen oder anderen Mediums hatten sich irgendwann für ihre Favoriten entschieden und grenzten sich voneinand ab. Was auf eine deutliche Absatzflaute der klassischen Schallplatte hinauslief.

Mit dem – natürlich in der USA erdachten – R.S.D. soll kräftig Abhilfe geschaffen werden. Denn dieser Record Store Day, der seit 20 Jahren alljährlich am dritten Samstag im April stattfindet, ist wohl in erster Linie ein Marketinginstrument. Für Befürworter der Schallplatte allerdings kommt dieser Tag nicht nur der Nostalgie zugute, sondern dem guten alten Ding, das längst Sammlerstatus erlangt hat. Denn Kleinstauflagen sowohl im Bereich der klassischen als auch in dem der Pop-Musik werden sorgsam gehütet – oder eben teuer gehandelt.

Was also tun am morgigen Samstag? Zum Musikladen des Vertrauens gehen (eine Handvoll Geschäfte gibt es in Dresden ja noch, die diesen Nimbus verdienen), dort andächtig die zum Record Store Day herausgeputzten Plattenregale bestaunen, hier und da mal hineingreifen und zu Hause dann stolz die schwere Scheibe aus der hoffentlich gut gestalteten Hülle nehmen, sie auf den Teller legen, die Nadel in Position bringen und … knister, knister, knister: Was für ein Klang!
Bis nächsten Freitag –

 

Michael Ernst