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Rotkäppchens Romeo

Foto: Stefanie Marcus

Es war einmal ein Alfa, dem ist mitten im tiefen Wald der Wolf abhanden gekommen. Rotkäppchen sollte vernascht werden, sitzt nun aber am Steuer. Und der Spider-Lenker flucht. Hat ja nun kein Auto mehr. Muss zusehen, wie er allein und zu Fuß aus dem Wald findet. Die Forstleute werden im kaum helfen. Denn die spielen ja Jazz. Auf dem Hochstand.

»Mandys Dandy« heißt anspielungsreich das Video zum gleichnamigen Song. Wer zunächst noch gemeint haben mag, Mandys Dandys klängen vielleicht besser, weil erstens pluralistisch und zweitens in der reimenden Endung sowieso, der irrt und sieht das beim Betrachten der Bilder auch ein. Denn dieses Rotkäppchen, dass da blond in Seide Blümchen pflückt, das ist nicht so naiv wie bei den Grimmschen Brüdern. Es lässt sich wohl verlocken und auch ködern, ein alter Alfa Spider mag da knallroter Anziehungspunkt sein. Der wölfische Wagenlenker taugt zum Ausziehen im Wald deswegen noch lange nicht.

Die jüngste Präsentation der Gruppe Tann ist höchst anspielungsreich, das kurze, aber aufwändig gemachte Video ein Hingucker, die Musik zum Nicht-Weghören-Können. Ein bisschen ambient-mäßig krachen die angerockten Akkorde, fusionieren mit softigem Jazz und gehen ins Bild über mit fast schon psychedelischen Riffs. »Nadel verpflichtet« lautet der verheißungsvolle Titel dieser Aufnahme, ab 12. September soll sie zu haben sein, und schon am gestrigen Abend startete die Release-Tour zu dieser CD. Von Neustadt an der Weinstraße aus via Hof geht es nach Dresden (17. September in den Deutschen Werkstätten Hellerau) und weiter Richtung Schwerin, Sassnitz, Berlin. Weitere Dresden-Konzerte folgen im Blue Note (am 5. Dezember) sowie im Jazzclub Tonne (am 12. Februar2015) , dann sehen wir erst einmal weiter.

Ähnlich muss die Ansage wohl im Studio respektive auf den Waldwegen in den Forstlagen von Spandau und Tegel gewesen sein. Willkürlich offen, so wirkt das Unternehmen – und bekam für seine musikalisch-visuellen Einfälle glatt einen Grimm-Award. Das dürfte die beiden Märchen-Brüder ebenso freuen wie die drei jazzenden Brüder im musikalischen Geiste. Mit Dirk Häfner an der Gitarre, René Bornstein am Bass und Demian Kappenstein am Schlagwerk sind scheinbar unverwüstliche Musikanten am Werk. Ihr Ideenreichtum wirkt ebenso ansteckend wie mitreißend.