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Wir entdecken Dirigenten

Constantin Trinks leitet die einzige Semperopern-Neuinszenierung im Wagner-Jubiläumsjahr: den »Holländer« (Foto: Matthias Creutziger)

Er hat sich rasch einen Namen gemacht unter den jüngeren Dirigenten, inzwischen auch weit über Deutschland hinaus. In Dresden stand er vor drei Jahren erstmals am Pult der Sächsischen Staatskapelle, und spätestens seit der höchst erfolgreichen Premiere von Jaromir Weinbergers wiederentdeckter Oper »Schwanda der Dudelsackpfeifer« unter seiner Leitung möchte man ihn hier nicht mehr missen. Die Rede ist von Constantin Trinks, 1975 in Karlsruhe geboren, und jetzt wieder in Dresden. Am Sonnabend dirigiert er in der Semperoper die einzige Premiere einer Oper von Richard Wagner im Jubiläumsjahr des Meisters. Fast genau 165 Jahre nach der Dresdner Uraufführung kommt in der Inszenierung von Florentine Klepper »Der Fliegende Holländer« wieder auf die Bühne.

"Um eine instrumentale Berufslaufbahn einzuschlagen, hätte ich vielleicht doch früher beginnen oder auch fleißiger üben müssen…"

Vor der Hauptprobe hat der Dirigent Constantin Trinks Zeit für ein Gespräch. Zunächst möchte ich wissen, wie er Dirigent geworden sei. Das mag daran liegen, dass er in einem musikalischen Elternhaus groß wurde, denn seit frühester Kindheit erinnere er sich daran, dass man klassische Musik hörte und die ältere Schwester Klavier spielte. Damit begann er im Alter von sieben Jahren auch, drei Jahre später kam das Waldhorn dazu. Bis heute eines seiner liebsten Orchesterinstrumente und für ihn ist dessen charakteristischer Klang aufs Engste verbunden mit dem der deutschen Romantik und Spätromantik. Ja, um eine instrumentale Berufslaufbahn einzuschlagen, hätte er vielleicht doch früher beginnen oder auch fleißiger üben müssen, sagt er; und er ist sich auch nicht sicher, ob er einen solchen Beruf prädestiniert wäre.

»Wir entdecken Komponisten« gibt den Ausschlag

Jedenfalls entdeckt der Elfjährige die Oper. Der Vater kauft dem musikbegeisterten Heranwachsenden eine Hörspielreihe, »Wir entdecken Komponisten«. Constantin Trinks entdeckt Wagner! »Der Fliegende Holländer«, »Lohengrin« sind seine Favoriten, und dann gibt es eine Lohengrinaufführung im Badischen Staatstheater in Karlsruhe. Für den nunmehr Dreizehnjährigen steht fest: Ich will Dirigent werden. Bald kommen erste Erfahrungen, er leitet Aufführungen, Chöre, Kirchenchor, Schulorchester. Und dann erscheint alles ganz logisch: Studium, Arbeiten als Korrepetitor, wo ihm nun doch die pianistischen Grundlagen sehr hilfreich sind. Das Studium, die ersten Erfahrungen in der Oper, alles zu Hause, in Karlsruhe an der Hochschule für Musik und am dortigen Opernhaus. Einer der geschätzten Lehrer ist Wolf-Dieter- Hauschild, in Dresden nicht unbekannt, er leitete die Premiere »Der Freischütz« am 13. Februar 1985, zur Eröffnung der wieder erbauten Semperoper. 

Constantin Trinks leitet erstmals in Karlsruhe eine Opernaufführung im Repertoire, Donizettis »Viva la Mamma!«, es folgen »Die Fledermaus« und »Evita«, so sammelt man Erfahrungen und im Rückblick ist er dankbar für die wichtige, folgende Zeit als Kapellmeister. Bald, so schildert es der Dirigent im Gespräch, kommt die große Lust an der Arbeit mit Sängern, mit Chören dazu, das Gespür im Erfassen akustischer Besonderheiten des Raumes und der Szene. Ideale Voraussetzungen für einen Operndirigenten. Er spürt immer stärker wie wichtig es ist, den Sängern Sicherheit zu geben, die Sensibilität zu besitzen um zu erfühlen, wann es nötig ist, stärker zu begleiten oder zu führen, und gerade bei Wagner damit zu arbeiten, dass die wesentlichen Impulse vom Orchester ausgehen. Dennoch, so fügt er lächelnd hinzu, es gehe darum den Stimmen ein „Bett“ zu bereiten, aber „zudecken“ sollte man sie nicht.
Und Wagner hat es dem 38jährigen Dirigenten angetan, immerhin fehlt nur noch der »Tristan«, alle anderen Opern, auch den ganzen Ring, hat er dirigiert.

Immer wieder eine Herausforderung, sich diesem musikalischen Mysterium zu stellen. „Ein kurzer Parsifal muss nicht zwangsläufig spannend sein, und ein langsamer nicht langweilig“, es käme immer darauf an das Maß zu finden, den dramaturgisch nachvollziehbaren Wechsel zwischen Spannung und Entspannung, natürlich muss es auch mal laut werden, aber vielleicht gerade deshalb, um dann die Ruhe, die Zartheit der Musik an anderen Stellen intensiver zu beachten. Man müsse, so der Dirigent, ein Gespür haben für die inneren Konflikte der Personen, für das bei Wagner so wichtige Tempo der Sprache, das Sprechen müsse fließen, dennoch voller Nuancen sein, der vom Komponisten vorgegebene Duktus ist wesentlich.

Natürlich ist es eine Herausforderung im Wagnerjahr in Dresden, am Ort der Uraufführung den »Holländer« zu dirigieren; jene Oper, in der Wagner übernommene Konventionen und Traditionen des Genres noch verwendet aber dann genial weiter führt, verwandelt, bis unverkennbar aufklingt, was später seinen gänzlich eigenen Stil bestimmen wird. Das Mystische, das Metaphysische bricht hier an, die unwahrscheinlich packenden, musikalisch „gemalten“ Naturschilderungen und die Seelenzustände seiner einsamen, unerlösten Menschen, wie Senta und der Holländer. Da sind die Konventionen weg. Da sind die Steigerungen, die großen Bögen, mit dieser Oper beginnt Wagners „Narkotisierung“, und er Komponist selbst hat sie ja auch als erste für würdig erachtet, auf dem Grünen Hügel in Bayreuth aufgeführt zu werden. Mit dem »Holländer« beginnt Wagners Kanon.

Regiekonzept trifft musikalische Notwendigkeit

Natürlich ist man auch gespannt auf eine Neuinszenierung des Werkes in Dresden. Für den Dirigenten ist es nachvollziehbar, dass Regisseure, in diesem Falle die junge Regisseurin Florentine Klepper, immer versuchen müssen, neue szenische und bildhafte Zugänge zu finden, das muss nicht immer den Erwartungen des Publikums auf Anhieb entsprechen. Aber es könnte sich immer dann erschließen, wenn die Kernstücke des Werkes erkennbar bleiben. Da ist der Dialog zwischen dem Dirigenten und der Regie unerlässlich, und was musikalische Notwendigkeiten angehe, da hat der Dirigent schon ein entscheidendes Wort mitzureden. Es kann sich um akustische Dinge handeln, um Arrangements, etwa des Chores, um Lichtstimmungen, die auch musikalisch stimmig sein sollten. Manchmal ist es von unwahrscheinlich großer Bedeutung die Beschaffenheit von Materialien der Ausstattung zu beachten, etwa eines Bühnenbodens, der den Ton nicht zu stark absorbieren darf. Auf die aktuelle Besetzung der Dresdner Inszenierung kann der Dirigent als Gast keinen Einfluss nehmen, aber einige der Sänger kennt er und freut sich darauf, erneut mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Zuletzt kommen wir darauf zu sprechen, dass Wagner die damalige Hofkapelle in Dresden als „Wunderharfe“ bezeichnete und Herbert von Karajan sagte die Staatskapelle habe einen Klang „wie von altem Golde“. Was soll man da hinzufügen? Constantin Trinks hat inzwischen etliche große und namhafte Orchester weltweit dirigiert, ein besseres Orchester als die Sächsische Staatskapelle für diesen Stil der deutschen Spätromantik kenne er nicht. Einzig, diese Wärme der Klangfülle, diese Kunst der Balance, und nicht zu vergessen die über Generationen vererbte Kenntnis der Werke. Dazu kommt das akustische Glück des Opernhauses.

Ich möchte dann noch wissen, wohin es weiter geht, was folgt nach Wagner, denn in Bayreuth wird Constantin Trinks im Rahmen der Festspiele Wagners Jugendwerk »Das Liebesverbot« dirigieren, im Herbst leitet er in Dresden die Wiederaufnahme des »Tannhäuser« in der Inszenierung von Peter Konwitschny. Auch andernorts wird er weitere Werke des Jubilars dirigieren. Das musikalische Dreigestirn sei für ihn eindeutig Mozart, Wagner, Strauss. Aber Puccinis Opern oder die von Verdi dirigiere er ausgesprochen gern, und da fehlen auch nur noch »Otello« und »Falstaff«. Opern des italienischen Belcanto müssten es nicht unbedingt sein, das könnten vielleicht andere Kollegen auch besser, aber Alban Bergs »Wozzeck« würde er sehr gern einmal dirigieren. Nicht zu vergessen, Constantin Trinks ist auch auf den Konzertpodien zu Hause, da müsse es auch einen gewissen Ausgleich geben für ihn.
Und es gibt Hoffnungen, so etwas wie Herzenswünsche, die gehen in ganz andere Richtungen, weder Oper noch Konzertsaal im eigentlichen Sinne: Bachs  h-Moll-Messe möchte er gerne einmal dirigieren, die Motetten von Bach, oder sehr gerne die Musikalischen Exequien von Heinrich Schütz. Vorerst Hoffnungen, „Hoffen auf ein Wunder“, ein Lächeln, ein Blick auf die Uhr, auf zur Hauptprobe, »Der Fliegende Holländer«, Premiere am Sonnabend, weitere Aufführungen folgen.