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Tanz als die Kunst der provokanten Freiheit

Fotos: Peter Fiebig

Wozu ein Fachtag Tanz in Sachsen? Die Antwort liegt auf der Hand. Sachsen tanzt. Und Dresden ganz besonders. Also luden am 3. Mai der Dachverband Tanz Deutschland und die Kulturstiftung des Freistaates an den nördlichen Rand der Stadt nach Hellerau ins Europäische Zentrum der Künste Dresden. Die Wahl des Ortes kam dabei natürlich nicht von ungefähr. Das Festspielhaus versteht sich als Schmiede und Plattform des Tanzes schlechthin. Und seitdem vor fast fünf Jahren Dieter Jaenicke die Intendanz des Hauses übernommen hat, muss man uneingeschränkt festhalten: Der Tanz brodelt. Zumindest eben in Dresden. Wie es an anderen Orten Sachsens aussieht, darüber wollten sich die Beteiligten auch austauschen. Ulrike Melzwig von der Schaubühne Lindenfels in Leipzig formulierte dazu ganz klar ihre Bewunderung für die freie Tanzszene in der Landeshauptstadt, die seit 2010 mit dem Tanznetz Dresden breit aufgestellt ist: In diesem Zusammenschluss freier Tanzschaffender entstehen unabhängige Arbeiten, die in unterschiedlichen Häusern Dresdens ein Aufführungsforum finden. So ist es neben dem projekttheater vor allem eben das Festspielhaus Hellerau, das mit der Veranstaltungsreihe „Linie 08“ regelmässig Arbeiten der jungen Kreativen zeigt. Keine dieser Arbeiten ist kuratiert. Stichwort Selbstorganisation.
 
Natürlich ist dabei nicht alles gänzlich wunderbar und ideal. Und genau da hat der erste Sächsische Tanztag erfolgreich angesetzt. Im Zuge des gegenseitigen Kennenlernens und Austauschens von Erfahrungen gestaltete sich die erwartete Positionssuche. Wie zu erwarten stand am Anfang eine atmosphärische Wand zwischen den beiden Aspekten „freie Szene“ und „feste Ensembles“. Alexander Opitz, Vorsitzender des Landesverbandes Freier Theater in Baden-Württemberg zeigte sich als engagierter Redner und plädierte für die nötige Augenhöhe bei der Begegnung. Die Frage nach finanziellen Mitteln als schlussendliche Basis für soziale Sicherheit wurde von allen Anwesenden als entscheidender Punkt betrachtet. Über Kooperationen ließe sich da einiges machen. Denn: Alle wollen am Ende das gleiche. Sonst wären sie nicht nach Hellerau gekommen.

Offenkundig Diskussionsbedarf: Martin Heering, Geschäftsführer des Bundesverbandes Freie Theater

Nabelschau war allerdings nicht angesagt. Trotzdem kann man verstehen, dass es anfänglich zu einer Art Versuch der Selbstvergewisserung in den Workshops kam. Angesichts der ersten Ausgabe einer solchen Tagung zwar verständlich, aber so konkret in Dresden gänzlich überflüssig. Da besteht kein Zweifel. Die Workshops selbst zeigten das grundsätzliche Interesse und den Diskussionsbedarf. Trotz Moderation erhielt jede Veranstaltung binnen kurzer Zeit eine thematische Eigendynamik, im Zuge derer aktuelle Befindlichkeiten aufgeworfen wurden. Dabei bewegten sich die Gespräche auch weg von den Tanzschaffenden über das Medium der Begleitenden (Presse, social media) in Richtung Zuschauer. Die Tanzkritik ist tot. Es lebe der Eventcharakter? Auch wenn derartige Formulierungen gefallen sind ist die Sache so einfach natürlich nicht. Aber für wen ist Tanzkritik von Bedeutung? Dergleichen kann so einfach nicht beantwortet werden. Die entscheidenden Fragen wurden aber gestellt. Und darum ging es.

Und sonst? Was bleibt von der ersten Ausgabe des Fachtages Tanz in Sachsen? Die definitive Gewissheit der Notwendigkeit, hier eine Reihe zu etablieren, die allen, die den Tanz im Mittelpunkt ihres Schaffens sehen, einen Ort der Vernetzung und der gegenseitigen Inspiration bietet. Und das nicht erst irgendwann. Dieser sprichwörtliche Stein, der hier ins Rollen gebracht worden ist, sollte nicht wieder erst an Schwung verlieren. Das Interesse ist groß. Und die entsprechende Aufmerksamkeit ist bereits gegeben. Auch über die Landesgrenzen hinaus. In Hellerau waren Vertreter aus acht weiteren Bundesländern anwesend.

Angebunden an den Fachtag Tanz war die Tanzplattform Sachsen 2013, die an zwei Tagen insgesamt neun unterschiedliche Arbeiten der Szene zeigten. Gute Idee. Viele der Anwesenden haben die Gelegenheit genutzt, sich einen Eindruck zu verschaffen. Diese Verknüpfung von Theorie und Praxis sollte so beibehalten werden.

Eine Textfassung des Artikels ist auf tanznetz.de erschienen.