Scroll Top

„Fehler machen die Musik interessant“

Foto: privat

Die Eltern: beide Pianisten. Der Vater, in Leipzig geboren, ein angesehener Klavierpädagoge. Drei ältere Geschwister, die alle professionelle Musiker geworden sind. Mit dreieinhalb saß sie selbst das erste Mal am Klavier, wurde erst von der Mutter, dann vom Vater unterrichtet. Irgendwie dürfte es für Yuki Manuela Janke kaum eine ernsthafte Frage gewesen sein, ob der Musikerberuf für sie in Frage käme. Schon mit neun gibt sie das erste Solokonzert, aber schön auch, mit der Familie zu musizieren. Da ist nur dieses Problem: in einem Klavierquartett gibt es – auch wenn der Name für Laien erstmal etwas anderes suggieriert – nur eine Klavierstimme! Und den Platz am Flügel verteidigte die sechs Jahre ältere Schwester Ayumi tapfer… „Irgendwann haben mein Bruder oder ich dann Bratsche gespielt,“ lacht Yuki. Das „Klavierquartett Janke“ war geboren – und heimste bald die ersten Preise ein. Und dann?

„Wie meine Geschwister habe ich bei »Jugend musiziert« gespielt,“ erinnert sich die Geigerin; „und 1998 begonnen, an internationalen Wettbewerben teilzunehmen.“ 2001 gewinnt sie beim Weimarer Spohr-Wettbewerb den 1. Preis in ihrer Altersgruppe, und als Sonderpreise einen Goldbogen eines berühmten Bogenbauers und eine Rundfunkproduktion mit Deutschlandradio. Schlag auf Schlag geht es danach: 2002 der erste Preis beim Johannes-Brahms-Wettbewerb in Pörtschach und ein Sonderpreis beim Long-Thibaud-Wettbewerb; 2003 ein Stipendium beim Leopold-Mozart-Violinwettbewerb; und 2004 schließlich sahnt sie den 2. Preis und alle vier Sonderpreise beim renommierten „Premio Paganini“ ab: jetzt kann die internationale Karriere beginnen.

Foto: privat

„Ich war 18,“ sagt Yuki, „und wollte unbedingt Solist werden! Ich malte mir aus, wie ich auf der Bühne stehen, in der ganzen Welt Erfolg haben würde…“ Durch die Wettbewerbe spielte sie bald sehr viele Konzerte; dazu kamen aufregende Kammermusikverpflichtungen, sie spielte mit Ray Chen, Viviane Hagner, auch mit Lisa Batiashvili. Und zum ersten Mal lernte die junge Geigerin, wie schwierig es ist, sich als Solist auch zu verkaufen, die Karriere voranzutreiben. „Es gibt ja überhaupt keine Sicherheit! Dieses Jahr läuft es noch gut, nächstes Jahr kommt ein anderer…“ Irgendwann fragte sie sich: ist es das wirklich, was ich will? Immer aus dem Koffer leben, der ganze Tourneestress? „Man reist drei, vier Wochen, kommt ein paar Tage nach Hause, steckt die Wäsche in die Maschine und zieht wieder los…“ Yuki blickt zu Boden. „Man fühlt sich so einsam!“ Schweigen.

Die Mehrheit ihres Publikums, so spürt die Geigerin, ist daneben auf die Oberflächlichkeiten ihres musikalischen Tuns orientiert. Seitdem sie ein berühmtes Instrument von Stradivari spielt, wird sie allerorten danach gefragt; als der Zoll es kürzlich konfiszierte, sprangen sogar die überregionalen Zeitungen auf die Geschichte auf. Welche Werke sie auf dieser Geige spielte? „Egal – darüber sprach keiner.“

Irgendwie dürfte es für Yuki Manuela Janke kaum eine ernsthafte Frage gewesen sein, ob der Musikerberuf für sie in Frage käme… (Foto: privat)

Vor drei, vier Jahre hat sie angefangen zu überlegen, ob sie das ganze Leben so einsam und unsicher verbringen will. Es mag dann eher Zufall gewesen sein, dass ihr Lehrer Igor Ozim sie fragte: Yuki, willst du einfach mal erleben, wie das so im Orchester ist? „Ich hatte Orchesterprojekte nie so ernst genommen,“ gibt sie zu, „aber ich dachte: warum nicht? Da habe ich bei der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern vorgespielt und eine Stelle als stellvertretende Erste Konzertmeisterin auf Zeit bekommen.“ Kurz darauf ging der Erste Konzertmeister in Pension; Yuki übernahm seine Stelle. Und dann entdeckte sie eine Stellenzeige, die sie reizte: in Dresden, bei der renommierten Staatskapelle, war die Position eines Konzertmeisters ausgeschrieben. Drei, vier Tage nach ihrer Bewerbung wurde sie eingeladen, bereitete rasch die nötigen Stücke vor. Und dann – wurde es spannend.

Nach vierhundertvierundsechzig Jahren ist Yuki Manuela Janke nun die erste Frau an der Spitze der Sächsischen Staatskapelle (Foto: PR)

„In der ersten Runde war der erste Satz des A-Dur-Konzerts von Mozart dran. Für die zweite Runde hatte ich das Tschaikowski-Konzert vorbereitet, auf einmal hieß es jedoch: bitte den 2. Satz Mozart! Ausschnitte aus der »Missa Solemnis« sollte die nervöse Bewerberin dann noch spielen, und die Solopassage aus dem »Heldenleben«. „Das ganze Orchester war da, scheinbar auch Herr Thielemann.“ Und dann passiert das Unerhörte: Yuki Manuela Janke bekommt die Stelle. Sie ist, nach vierhundertvierundsechzig Jahren, die erste Frau an der Spitze des Orchesters.

„Ich war auch überrascht,“ gibt die Geigerin zu. „Ein paar Tage vor dem Probespiel hatte ich die Webseite angeguckt. Auf den Fotos sah ich nur Herren vorn sitzen und dachte, oje! Es ist halt ein traditionsreiches Orchester…“ Im Orchesteralltag dann die Überraschung: alle waren so offenherzig! „Gerade diese ‚älteren Herren‘ waren ganz nett und haben mir sofort gesagt: dies und das sollte vielleicht so gespielt werden…“ Mitte September hatte sie ihren ersten richtigen Orchesterdienst; zwei Tage später sofort die erste Oper, ohne Probe, „La Boheme, da wurde ich gleich reingeschmissen…“ Von ihrem Konzertmeister-Kollegen Matthias Wollong lernt sie schnell: „Es ist angenehm zu sehen: wie führt er? Wie macht er das? Er sagt ja nicht viel – aber wenn, dann hilft es auch wirklich!“

Und dann war da noch – der Dirigent. „Ich kannte Aufnahmen von Christian Thielemann,“ sagt Yuki, „und – soll ich ehrlich sein? – diese DVD mit den Wienern, Beethoven-Sinfonien – das hat mich nicht beeindruckt. An manchen Stellen dachte ich überrascht: das steht doch gar nicht in den Noten! Ich bin eine Musikerin, die konkret und genau sein will. Meine Mutter war streng, ich musste zehn Stunden am Tag üben und einfach perfekt sein. Es darf kein Fehler passieren im Konzert! Deshalb kannte ich diese Spontaneität nicht.“ Erst in den letzten Jahren hat sie gemerkt, dass man auch mal Fehler machen kann, dass das die Musik interessant macht. „Jetzt verstehe ich auch, was so besonders an Thielemann ist: einen Tag nimmt man eine CD auf, und am nächsten Tag ist es schon wieder ganz anders… Das Unberechenbare ist das Besondere an ihm.“ Bei den Proben habe der Dirigent eine genaue Klangvorstellung – und was auf der Bühne passiert, passiert eben. „Ich kenne Freunde,“ sagt Yuki, „die deswegen zu allen drei Konzerten gehen!“

Vom Klavier zur Geige… (Foto: privat)

Aus dem Solistenleben ist Yuki Manuela Janke derweil nicht völlig ausgestiegen. Mit ihrem Cellokollegen Isang Enders hat sie diese Themen ernsthaft diskutiert: wie das ist, eine feste Stelle im Orchester zu haben und Kammermusik und Solo quasi nebenbei zu stemmen. Die beiden Musiker sind sich einig: als Solist reift man musikalisch, wenn man im Orchester spielt. Man lernt, auf die anderen Stimmen zu hören. „Viele erfolgreiche Solisten können nicht Kammermusik spielen,“ hat Yuki beobachtet. „Ob sich der Klang mischt, ist ihnen egal.“ Eine Weltkarriere werde sie wahrscheinlich nicht haben, sagt sie ernst. Aber sie wäre glücklich, neben dem Orchesteralltag noch „zwanzig, dreißig Konzerte pro Jahr zu haben, in denen ich dem Publikum zeigen kann, wie ich bin…“

Und ihre neue Heimatstadt? Hier wird Yuki Manuela Janke langsam heimisch. Den Elberadweg hat sie sich erobert, war schon in Meißen, in der Sächsischen Schweiz. Sie ist gespannt auf das Clubleben der Stadt. Und liest, um auch die Dresdner irgendwann vielleicht besser zu verstehen, Tellkamps „Turm“. Ein Kapitel des Buches heißt: Sei zu Hause. Yuki Manuela Janke versteht es als Einladung.